Das Smartphone auf der Autobahn

Autobahn und Verkehr.

Smartphone
Kolumne über ein verlorenes Smartphone: 02.23

Wohl nicht oft knallt ein Smartphone unbemerkt bei 120 Stundenkilometer auf die Autobahn – und wird wiedergefunden. Die Diagnose mal vorweg: Rückseitige Schutzhülle weg, Gehäuse leicht beschädigt, alle inneren Organe intakt, aber nicht mehr ansprechbar. Auch nicht über „Beatmungsgeräte“ wie ein Laptop.

Wie kommt das Smartphone auf die Autobahn?

Ende März bei ausnahmsweise mal mildem und trockenem Wetter fahre ich mit dem Motorrad nach Bonn-Beuel. In der warmen Jacke steckt das liebgewonnene Galaxy S 7 in der Außentasche, fest verschlossen mit zwei Druckknöpfen und Klett. Beim Halt auf einem Friedhofsparkplatz hole ich es hervor, um die Route zu checken – und stecke es wieder in die Jackentasche. Am Heimatort, also rund 30 Kilometer später, noch schnell tanken und dann Zuhause der große Schreck: WO IST DAS S 7? Die Außentasche ist leer, die anderen Taschen ebenfalls…

Es ist erstaunlich, was man dann alles macht: An die Tankstelle, ein paar Kilometer der Fahrtroute zurück – noch nie habe ich so genau gesehen, was alles so am Fahrbahnrand liegt. Nichts! Also wieder nach Hause, Motorradklamotten aus, alles noch mal durchsuchen – und nachdenken.

Was einem dabei alles durch den Kopf geht:

E-Mail an die Fundämter zwischen Bonn und Siegtal?

Kann es einen Sturz auf die Straße überhaupt überlebt haben?

Macht eigentlich die Polizei ohne Vorliegen einer Straftat eine Ortung?

Ging es am Friedhof in Beuel verloren und wurde vielleicht intakt gefunden?

Also mache ich einen Anruf-Versuch. Tatsächlich klingelt es nachhaltig. Niemand geht dran (kann man das überhaupt ohne Entsperrmuster?). Aber immerhin, es ist in Betrieb. Die nächsten Fragen drängen sich auf: Wenn Du es nicht wieder bekommst, wo landet es mit allen Daten und Karten? Was genau ist eigentlich an persönlichen Daten da drauf? Wie kann man Missbrauch verhindern? In meinem Kopf baut sich das volle bürokratische Programm auf: SIM-Karte und Bank-App sperren, neue beantragen, womöglich neue Mobilnummer und was sonst noch alles.

Wie man ein Smartphone ortet

Dann mal ganz ruhig überlegen: Du bist nicht der Erste, dem das passiert. Frag mal Google. Und Treffer: auf Android-Geräten mit einem Google-Konto ist eine Ortung möglich, wenn bestimmte Einstellungen aktiviert sind. Gleich auf „Mein Gerät finden“ und siehe da: Es liegt an der A 560 Höhe Sankt Augustin, Fahrtrichtung Hennef, offenbar am rechten Fahrbahnrand. Und lebt noch!

Weil am Abend Regen angekündigt ist, springe ich ins Auto. Der Plan: Sich vom Gewerbegebiet aus der Autobahn nähern und die Standspur und Grünstreifen absuchen. Nicht ganz ungefährlich und nach Paragraph 18 Abs. 9 StVO auch verboten. Weil die zuständige Autobahnmeisterei auf dem Weg liegt, möchte die die Aktion lieber anmelden. Vielleicht haben die auch eine Idee, falls es nicht neben der Fahrbahn liegt.

Ein hilfsbereiter Mitarbeiter

Dort kurz vor vier ist jedoch schon alles vergittert, keine Klingel. Ein Mitarbeiter fährt gerade raus und hört sich freundlich meinen Plan an. Er meint mit Blick auf die Karte, das sei machbar. Ich solle eine Warnweste anziehen und hinter der Leitplanke bleiben. Wenn das Handy dann nicht zu finden sei, solle ich mich am nächsten Morgen ab sieben Uhr melden und man werde sehen, was man tun kann. Ich bin ihm irgendwie dankbar, aber auch nicht recht glücklich.

Im Gewerbegebiet auf etwa Höhe der Ortung angekommen, zeigt sich, dass alle Grundstücke zur A 560 hin hermetisch durch Zäune abgeriegelt sind. Außerdem liegt zwischen mir und meinem Smartphone eine Lärmschutzwand wie die Berliner Mauer. Nach einigem Suchen sehe ich einen Radfahrer aus Richtung Autobahn kommen. Tatsächlich, gut versteckt, ist da ein Radweg mit Unterführung. Und siehe da, eine Wartungstreppe führt zu einer Tür in der Lärmschutzwand. Die ist auch nur verriegelt – logisch, ist ja auch ein Notweg.

Smartphone-Suchaktion auf der Autobahn

Die gelbe Warnweste anziehen und durch. Wieder von innen ordentlich verriegeln. Auf der anderen Seite lande ich auf dem Grünstreifen hinter der Leitplanke, aber noch deutlich von der Ortungsstelle entfernt. Wo genau liegt die eigentlich? Also ganz langsam den Boden Stück für Stück scannen: Gras unterschiedlicher Höhe und Dichte, Abfälle, hier und da Löcher im Boden, alles nicht so einfach.

Ohrenbetäubender Lärm, ein Handyklingeln hätte man nur zwei bis drei Meter weit gehört. Vorbei an einer Nothaltebucht, die Leitplanke endet, also weiter im Grünhang, möglichst weit entfernt von der Fahrbahn. Nichts zu sehen von einem Smartphone. Mir geht durch den Kopf: Gibt es eigentlich Smartphone –Suchhunde?

Die Rettung des Smartphones

Und dann, nach rund einer halben Stunde und einem dreiviertel Kilometer Fußweg – da liegt es! Gleich neben dem Asphalt im Gras. Ich erinnere mich: Hier warst Du mit circa 120 Stundenkilometer auf der Überholspur. Es muss auf dieser rausgeflogen sein und dann quer über die ganze Fahrbahn seinen Weg bis gerade so ins Grüne gemacht haben.

Da hatte ich wohl die Tasche nicht sicher verschlossen. Kaum zu glauben, dass es noch funktioniert. Das Handy vorsichtig aufheben und schnell wieder zurück ein Stück weiter durch die nächste Tür in der Lärmschutzwand. Dahinter am Hang entlang balanciert durch dichtes Gehölz wieder zurück zum Radweg.

Die Rettung hat sich gelohnt

Insgesamt hat sich die Rettung gelohnt: SIM- und SD-Karte verwendbar. Trotz nicht mehr bedienbaren Displays kann nahezu der gesamte Datenbestand über das Google-Konto auf das eilig am nächsten Tag beschaffte, neue Smartphone übernommen werden. Das digitale Zeitalter hat also auch gewisse Vorteile. Und ja, es gibt Smartphone-Suchhunde. Sie werden bei Polizei und Justiz eingesetzt. Aber das da an der Autobahn, das kann man keinem Hund antun…

Ihr

Ambrosius Unbeugsam