Spanien und seine Schattenseiten

Spanien und seine Schattenseiten.

Spanien und seine Schattenseiten
Von Inga Sprünken

Spanien ist der Traum vieler Deutscher. Rund 9,8 Millionen deutsche Touristen besuchten Spanien im Jahr 2022. Viele Rentner verbringen die Wintermonate an der Costa del Sol, um dem tristen Winterwetter zu entfliehen – und auch der Einsamkeit. Auf Campingplätzen treffen sie Gleichgesinnte und lernen beim Bingo oder bei organisierten Tanzveranstaltungen Leute kennen.

Auch wir wollten dem nicht enden wollenden Regen in diesem Jahr entfliehen und den Frühling ein bisschen früher einläuten. Andalusien, das immer wieder durch seine anhaltenden Dürre für Schlagzeilen sorgte, sollte das Ziel sein. Doch statt Dürre erwartete uns Regen.

Regen über Regen

Das Sturmtief „Nelson“ zog mit heftigen Böen und literweise Regen über das Land hinweg. Viele der in Spanien traditionellen Oster-Prozessionen in der Nacht auf Karfreitag fielen ins Wasser. Besonders betroffen waren die Feierlichkeiten der Karwoche (Semana Santa) in Sevilla. In der Hauptstadt der von einer jahrelangen Dürre geplagten Region war ausgerechnet jetzt Regen angesagt.

Viele Menschen warteten vergeblich vor den Kapellen und Kirchen, manche brachen in Tränen aus, wie die Zeitung „La Vanguardia“ berichtete. Die veranstaltenden Bruderschaften verzichteten darauf, die teils jahrhundertealten Christus- und Heiligenstatuen durch Regen zu gefährden.

Religion hat einen hohen Stellenwert

Dass viele deshalb in Tränen ausbrachen, zeigt die Einstellung der Spanier zu ihrer Umwelt. Die Religion hat einen deutlich höheren Stellenwert, als die sehr vielfältigen Naturregionen. Eigentlich sollten ab Ostern strenge Rationierungen in Bezug auf Trinkwasser gelten, da 2023 das trockenste Jahr der letzten drei Jahrzehnte in Spaniens bevölkerungsreichster Region war.

80.000 Menschen im Norden der Provinz Córdoba wurden bereits seit Anfang 2023 aus Tankwagen versorgt. 2024 hatte kaum begonnen, da musste die andalusische Landesregierung schon einen Dürre-Notstand ausrufen. Die Wasserreserven lagen im Januar bei 18,4 Prozent und damit dreizehn Punkte unter dem Wert des Vorjahres.

Wasserversorgung in Spanien eingeschränkt

Während die Einheimischen Einschränkungen bei der Wasserversorgung hinnehmen müssen, sollen die Touristen davon nichts mitbekommen, dabei sind sie Teil des Problems. Im vergangenen Jahr kamen rund zwölf Millionen Gäste in Spaniens südlichste Region. Dabei möchten sie natürlich nicht auf ihre tägliche oder gar mehrmals tägliche Dusche verzichten.

Und die möchte ihnen auch keiner verbieten – Wassermangel hin oder her. Gleichzeitig hat das Land ein strukturelles Problem, denn es verfügt über die drittgrösste Anbaufläche Europas. Allein in Andalusien sind in den letzten 25 Jahren die bewässerten Anbauflächen um 45 Prozent auf 881.000 Hektar gestiegen.

Spanien: Auch Gemuese landet auf Muellbergen.

Gemüseanbau in Gewächshäusern

70 bis 80 Prozent des Wassers werden genutzt, damit unter anderem deutsche Verbraucher das ganze Jahr über Tomaten, Paprika, Brokkoli und anderes Obst und Gemüse günstig kaufen können. Anstatt den Wasserpreis zu erhöhen und die künstliche Bewässerung einzudämmen, wurden die Anbauflächen noch ausgeweitet.

Insbesondere die Provinz Almeria in Andalusien ist durch den Gemüseanbau in Gewächshäusern geprägt. Dieser brachte dieser einst zu den ärmsten und trockensten Bereichen Spaniens gehörenden Region großen Wohlstand. Die Treibhäuser bedecken eine Fläche von 36.000 Hektar, was ihr den Beinamen „mar del plástico“ (Plastikmeer) einbrachte. Sie ist die weltweit größte Anbaufläche unter Folie.

Plastik schützt das Gemüse

Die Plastikplanen sollen das empfindliche Gemüse vor dem trockenen Wind schützen. Sie müssen alle drei bis vier Jahre ersetzt werden. Dadurch entstehen jährlich große Mengen Plastikmüll, der teilweise in die Böden und das Wasser gelangt. Bewässert werden die Pflanzen tröpfchenweise durch das Grundwasser.

Denn die Umgebung um die Stadt El Ejidos verfügt über ein System unterirdischer Flüsse mit jahrtausendealtem Grundwasser. Das wiederum ist durch den großen Einsatz von Pestiziden verschmutzt, die ökologische Situation schlecht. Doch die Welternährungsorganisation geht von einem Anstieg der Plastiknutzung in der globalen Landwirtschaft um 50 Prozent bis zum Jahr 2030 aus – die stetig wachsende Weltbevölkerung will schließlich ernährt werden. (Quelle: Spiegel Wissenschaft).

Umweltmuffel Spanien

Zwar hat Spanien zahlreiche Abkommen zum weltweiten Naturschutz und Protokolle gegen Klimawandel und Umweltverschmutzung unterzeichnet. Doch das Land gilt nach wie vor in der EU als Umweltmuffel, was der tonnenweise Plastikmüll, Sperrmüll und Bauschutt entlang vieler Straßen und Autobahnen beweist. Selbst an heiligen Orten etwa einer Eremitage in den Bergen von Cordoba fand sich eine Müllablagerung.

Denn im Traumland der Deutschen wird der Müll lediglich zu 45 Prozent getrennt. Insgesamt fallen in Spanien jährlich über 22 Millionen Tonnen Haushaltsmüll an. Davon werden 4,5 Millionen Tonnen mittels Mülltrennung gesammelt und zu 85 Prozent recycelt, von den 17,5 Millionen ungetrennten Müll sind es nur 23 Prozent.

Das Müllproblem in Spanien

Nach Angaben von Greenpeace ist Spanien der fünftgrößte Produzent von Einwegflaschen in der EU. Eine neue Steuer auf Einwegkunststoffbehälter und eine weitere auf Abfälle in Deponien und in der Verbrennung soll das Müllaufkommen bis 2030 im Vergleich zu 2010 um 15 Prozent reduzieren.

Bislang jedoch gibt es weder ein Pfandsystem für Getränkeflaschen und -dosen, noch ein Mehrwegsystem für Glasflaschen. In Sachen Nachhaltigkeit haben die Spanier großen Nachholbedarf, Second-Hand-Shops und Flohmärkte sind nicht Teil ihrer Kultur. Während im eigenen Zuhause streng auf Sauberkeit geachtet wird, ist dies in der Umwelt nicht von Interesse.

Kaum Wiederverwertung

Ermahnungen, Gerichtsprozesse, Sanktionen der EU brachten bisher nichts. 30 Verfahren wegen Vertragsverletzungen gab es bereits. Dazu gehört die Abstrafung wegen 61 Müllhalden. Denn Spanien verstößt mit seinen unversiegelten Müllhalden mit unsortiertem Müll gegen eine EU-Vorschrift von 2008 (!). Aber die Zentralregierung und die Regierungen der 18 autonomen Regionen und Städte setzen darauf, dass Europas Mühlen langsam mahlen.

Die EU-Vorgabe von weniger als zehn Prozent Deponiemüll bis 2035 ist ohne energische Schritte nicht zu erreichen. Der fehlende Wille zur Wiederverwertung oder Verbrennung des Mülls macht sich überall bemerkbar. Bauunternehmen laden zur Kostenersparnis ihre Abfälle und ihren Schutt auf unbebauten Grundstücken wie etwa in Roquetas de Mar ab. Dort finden sich auch die Hinterlassenschaften von Gemüse-Bauern in Form von kiloweise entsorgten Tomaten. Einen Film darüber gibt es bei Tiktok.