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Galgenberg im Nutscheid und seine grausige Geschichte

Galgenberg im Nutscheid und seine grausige Geschichte Henker

Galgenberg im Nutscheid und seine grausige Geschichte

Er liegt auf auf dem Höhenrücken zwischen Windeck und Waldbröl: der Galgenberg. Sein Name kommt nicht von ungefähr, denn hier unweit der damaligen Römerstraße (heute Nutscheidstraße) stand einst die Hinrichtungsstätte des vom Herzogtum Berg regierten Amtes Windeck. Die Galgenberge lagen meist an der Markungsgrenze von Orten mit eigener Blutgerichtsbarkeit zur Abschreckung an stark frequentierten Wegen oder weithin sichtbar auf Hügeln.

Wer nach dem Galgenberg im Nutscheid sucht, dem fallen zunächst drei mächtige Eichen an der Nutscheidstraße auf. Diese sehen skurril aus und machen glauben, hier am richtigen Ort zu sein. Doch die eigentliche Hinrichtungsstätte liegt ein paar Meter weiter auf dem Berg auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Auch hier steht eine Eiche, die aber bei Weitem nicht so mächtig wirkt, wie die anderen drei. Sie zeichnet jedoch aus, dass sie auf einer kleinen Erhöhung, dem Galgenberg, steht. Landrat Karl Maurer pflanzte diese Eiche im Jahr „1858 auf der ehemaligen Hinrichtungsstätte des Amtes“, wie auf einem Gedenkstein zu lesen ist.

Galgenberg auf dem Nutscheid und seine grausige Geschichte Gedenkstein

Der Gedenkstein führt zum Galgenberg

Dieser steht neben der Treppe, die von der Straße zum Galgenberg führt. Von der Treppe aus verläuft der Weg einige Meter durch den Wald, bevor man auf die kleine Erhebung trifft, auf der einst der Galgen gestanden hat. Im Winter wirkt diese Eiche, an der man zwei Kreuze angebracht hat, tatsächlich wie der Galgen, der zwischen 1540 und 1550 hier errichtet wurde. Hier an der alten Landesgrenze zwischen dem einstigen Herzogtum Berg und der Herrschaft Homburg verläuft noch heute die Grenze zwischen dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Oberbergischen Kreis.

Wenn die Bäume unbelaubt sind, wirkt dieses Stück Wald gerade bei diesigem Wetter wie eine Kulisse aus einem Gruselfilm. Eine Sage berichtet von einem Maurer, der bei der Errichtung des Galgens drei Blutstropfen auf der Erhebung verlor. Das galt als schlechtes Omen dafür, dass er eines Tages am Galgen sterben werde. Tatsächlich war der Handwerker der Erste, der an diesem Galgen erhängt wurde. Doch die Todesstrafen zu jener Zeit umfassten nicht nur das Erhängen, sondern auch das Köpfen.

Verurteilte wurden am Galgen erhängt oder geköpft

Verurteilte wurden teils an Bäume gehängt, teils – wie hier – an einem errichteten Galgen. Das Erhängen wurde auch „Richten mit trockener Hand“ genannt. Die Todesstrafe durch Enthaupten nannte man „Richten mit blutiger Hand“. Letzteres erforderte ein besonderes Geschick und wurde nur von kundigen Henkern durchgeführt. In der Regel war diese Hinrichtungsart höher gestellten Persönlichkeiten wie dem Adel vorbehalten.

Das einfache Volk wurde erhängt. Denn das gelang nicht immer so einwandfrei. Das Erhängen erfolgte anfangs mit geringen Fallhöhen, bei denen sich die Schlingen nur langsam zuzogen und dem Verurteilten einen langen Todeskampf bescherten. In diesem Fall bleiben nämlich die Halsschlagadern offen und die Blutzufuhr ins Gehirn erhalten, so dass keine unmittelbare Bewusstlosigkeit eintritt. Die oberen Atemwege werden zusammengedrückt und erst allmählich durch das Körpergewicht und Bewegungen verschlossen.

Galgenberg im Nutscheid und seine grausige Geschichte Galgeneiche

Am Galgenberg qualvoll erstickt

Der Verurteilte erstickt langsam und qualvoll. Im Unterschied dazu tritt bei größeren Fallhöhen der vollständige Verschluss der Atemwege schon nach etwa drei Minuten ein und der Erhängte wird bewusstlos. Manchmal auch bricht das Genick, was ebenfalls einen schnellen Tod nach sich zieht. Von diesen mittelalterlichen Erhängungsarten leiten sich Redewendungen wie „die Schlinge zieht sich zu“ oder „mit Hängen und Würgen“ ab. Im Jahr 1866 kam der irische Arzt Samuel Haughton zu dem Schluss, dass die grausame und langwierige Hinrichtung an der kurzen Schlinge nicht mehr zeitgemäß sei. Er plädierte er für eine größere Fallhöhe zwischen 1,20 und 1,80 Meter, um möglichst einen Genickbruch zu erreichen.

Diese Fallhöhe etablierte sich in der Folgezeit als Standard. Starben Erhängte indes langsam, kam es zu diversen körperlichen Reaktionen. Neben dem Abgang von Harn und Stuhl kam es bei Männern häufig zur Erektion und sogar zur Ejakulation. Durch das allmähliche Absinken des Sauerstoffgehaltes im Gehirn soll sich eine narkotische und gleichzeitig euphorisierende Wirkung einstellen, die einem Drogenrausch ähnelt. Das bestätigen in letzter Minute gerettete Selbstmordkandidaten.

Lustgewinn durch Sauerstoffmangel

Der Lustgewinn durch Sauerstoffmangel im Gehirn wird Hyposyphilie genannt. Der Rausch soll einem Drogentrip ähneln und einen intensiven Orgasmus auslösen. Die beschriebene körperliche Reaktion wurde von den Befürwortern dieser Hinrichtungsmethode gegen kritische Stimmen vorgetragen. Der Tod durch Erhängen sei mit einem Lustgewinn verbunden, sagte man. Tatsächlich gibt es Männer, die diesen Lustgewinn bewusst herbeiführen, um einen intensiven Orgasmus zu erleben.

Oftmals endet dies mit ihrem Tod. Denn die Schlinge, die sie sich um ihren Hals legen, um einen künstlichen Sauerstoffmangel im Gehirn herbeizuführen, kann zur Bewusstlosigkeit und damit zum Hineinfallen in die Schlinge führen. Zu den bekanntesten Opfern dieser fragwürdigen Sexualpraktik, auch autoerotische Atemkontrolle genannt, gehört der amerikanische Schauspieler David Carradine, der 2009 in dieser Position tot aufgefunden wurde.

Hinrichtung als Massenspektakel

Im Mittelalter wurde der Vollzug der Todesstrafe häufig zum Massenspektakel. Die Hinrichtung durch Erhängen galt als besonders schmachvoll, im Gegensatz zur ehrenvolleren Enthauptung. Nach dem Vollzug blieben die Leichen oft eine längere Zeit hängen – als Abschreckung für Straftäter. Kolkraben pickten den Erhängten die Augen aus, was ihnen den Ruf als Galgenvögel einbrachte. Manchmal wurden bewusst auch Leichenteile entfernt.

Das „Schelmbein“ (Knochen) oder das „Armsünderschmalz“ (Fett) galt im Mittelalter als heil- und zauberkräftig. Der Daumen eines Diebes sollte im Spiel Glück bringen und der Galgenstrick diente zum Zähmen wilder Pferde. Alraunen sollen dort gewachsen sein, wo Urin und Ejakulat der Gehängten herabgetropft war. Diese Pflanzen, auch „Galgenmännchen“ genannt, wurden vielfach für magische Praktiken eingesetzt.

Galgenberg im Nutscheid und seine grausige Geschichte

Die Toten vom Galgenberg

Abgefallene Leichen wurden oft unter oder um den Galgen herum verscharrt. So entstand die Bezeichnung Galgenacker für dieses ungeweihte Gräberfeld. Denn auf einem geweihten Kirchhof durften Verurteilte nicht bestattet werden. Ausgrabungen an Galgenbergen oder Galgenackern bestätigen, dass die Richtstätten manchmal auch als Abdeckplätze für Tiere dienten. Aus hygienischen Gründen geschah dies nämlich nur außerhalb von Siedlungen. (Wikipedia)

Strafverfahren wurden nach der „Constitutio Criminalis Carolina“ gehandhabt. Dieses erste Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1532 legte Strafen wie Erhängen, Enthaupten, Ertränken, Verbrennen, Lebendigbegraben, Zerstoßung der Glieder durch das Rad oder auch Vierteilung des Leibes fest. Am Galgenberg im Nutscheid sind zwei Hinrichtungen urkundlich festgehalten: die eines Falschmünzers im Jahr 1714 und die einer Kindsmörderin im Jahr 1766. Die „Peinliche Halsgerichtordnung“ blieb für nahezu drei Jahrhunderte in Kraft.

Das Blutsgericht in Prombach

In Zeiten der Herren von Berg und Sayn wurden die Strafen und Folterungen an verschiedenen Gerichtsstätten vollzogen. In einer Karte aus dem Jahr 1575 ist etwa ein „Blutsgericht“ in Prombach verzeichnet. Offiziell fand in Deutschland die letzte Hinrichtung durch Hängen im Jahr 1871 statt. Danach wurde der Tod am Galgen durch die Enthauptung durch Handbeil oder Fallbeil ersetzt. Der letzte dazu verurteilte Raubmörder war Richard Schuh, der am 18. Februar 1949 in Tübingen guillotiniert wurde. Drei Monate später wurde die Todesstrafe abgeschafft.

Das stimmt aber nur teilweise, denn in der Zeit des Nationalsozialismus war alles anders. Die Nazis ließen den Vollzug der Todesstrafe durch Hängen am 29. März 1933 wieder zu. Zwar wurde diese Strafe zunächst nicht angewandt, doch im Dezember 1942 wurden Hitlers Widerstandskämpfer auf seinen Befehl erhängt. Danach wurde diese Todesstrafe wieder häufiger angewandt, so etwa im Hinrichtungsraum der Haftanstalt Berlin-Plötzensee. Der Galgen wurde dabei zumeist im selben Raum wie das Fallbeilgerät installiert.

Galgenberg im Nutscheid und seine grausige Geschichte Landschaft

Nazis führten den Tod durch Erhängen wieder ein

Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Erhängen verurteilter Kriegsverbrecher die häufigste Hinrichtungsart. Das geschah etwa nach den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher. So erlitten etwa die Aufseherinnen des KZ Stutthof am 4. Juli 1946 durch einen nur kurzen Fall zehn- bis 20-minütige Todeskämpfe. Die Prozedur wurden im 12-Minuten-Takt durchgeführt und zwar bewusst im Beisein der Öffentlichkeit und der noch nicht Hingerichteten, damit diese sehen konnten, was ihnen bevorstand.

Letztmalig wurden in Deutschland im Juni 1951 in Landsberg am Lech Hinrichtungen durch Erhängen durch die amerikanische Besatzungsmacht durchgeführt. In den Vereinigten Staaten wurde diese Todesstrafe zuletzt am 25. Januar 1996 an Billy Bailey in Delaware praktiziert. Im Iran ist diese Vollzugsmethode bis heute erlaubt.

Viele Anhöhen tragen den Namen Galgenberg

In Deutschland gibt es unzählige Anhöhen, die den Namen Galgenberg tragen. Die meisten waren tatsächlich historische Richtplätze. Im Nutscheid etwa gibt es unweit des Galgenbergs auch einen alten Flurnamen „Unterm Gericht“. Das deutet einerseits auf die Hinrichtungsstätte hin und kann anderseits auch bedeuten, dass Verurteilungen dort ausgesprochen wurden. Eine Geschichte aus dem Nutscheid berichtet von einem Mann, dessen Pferd an der Gabelung zum Galgenberg gescheut habe und nicht zu bewegen war weiterzugehen. Es habe die Richtstätte gerochen.

Es wurden übrigens nicht nur Menschen erhängt, sondern auch Tiere. Teilweise geschah dies sogar nach einer gerichtlichen Verurteilung. In Frankreich gab es 1386 ein Schwein, das einen Säugling zu Tode gebissen hatte. Es wurde offiziell zum Tode verurteilt. Man bekleidete es zuvor wie einen Menschen mit Jacke und Hose und erhängte es, nachdem man es zuvor verstümmelt hatte. In den Vereinigten Staaten (Tennessee) wurde die asiatische Zirkuselefantenkuh Mary an einem Eisenbahnkran erhängt. Sie hatte ihren im Umgang mit ihr unerfahrenen Wärter zu Tode getrampelt.

Galgenberg im Nutscheid und seine grausige Geschichte Eichen

Tiere wurden ebenfalls erhängt

In Spanien ist es bis heute üblich, dass Hunde insbesondere der Rasse Galgo Espanol erhängt werden, wenn sie für die Jagd nicht mehr taugen. Sie sind entweder zu alt oder sind aus anderen Gründen nicht mehr nützlich. Und auch in Deutschland gibt es Hundebesitzer, die ihre Tiere erhängen, wenn sie sie nicht mehr halten können. Zum Glück verbietet das Tierschutzgesetz diese Tierquälerei.

Vom Galgenberg im Nutscheid ist eine noch Geschichte (#Link zum Buch) überliefert, in der ein Verurteilter seinen Richtern ein Rätsel aufgab. Da diese es nicht erraten konnten, wurde ihm das Leben geschenkt. Es lautete:

„Hue, hue klomm ech,

sieven Jongen fong ech,

enen Dueden noh dobi.

Könnt ehr et net jeroden on jedenken,

dann moßt ehr mer dat Leaben schenken.“

Des Rätsels Lösung war ein skurriles. In einem noch am Galgen hängenden Totenschädel hatte ein Vogel ein Nest gebaut, in dem sieben Jungen geschlüpft waren.