Vampire hausen im alten Pfarrhaus

Fledermäuse hausen auf dem Dachboden. (Foto: Inga Sprünken)

Es ist dunkel. Stickige Luft und ein herber Geruch schlägt uns entgegen. Ein geheimnisvolles Wispern liegt in der Luft – und dann plötzlich flattert etwas Großes an uns vorbei. Als sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkennt man schwarze Schatten an den Wänden. Wir sind im obersten Stockwerk des alten Eitorfer Pfarrhauses – und damit in der Wochenstube des Großen Mausohrs. Teilweise über 500 Exemplare dieser größten heimischen Feldermausart leben von April bis September in einer ehemaligen Wohnung. Die hat der NABU nach Auszug des letzten Mieters in 2010 für die Tiere angemietet. Betreut werden sie von Heidrun Brieskorn. Der pensionierten Bratschenspielerin und ihrem verstorbenen Ehemann, dem Mathematikprofessor Egbert Brieskorn, ist diese Unterkunft zu verdanken.

Plötzlich flog eine Fledermaus ins Fenster

Das alte Pfarrhaus in Eitorf. (Foto: Inga Sprünken)

„Es begann damit, dass der Mieter dieser Wohnung in 2009 plötzlich eine Fledermaus im Zimmer hatte“, erzählt die 81-Jährige. Er sei davon wenig begeistert gewesen und habe den Umweltschutzbeauftragten der Gemeinde Eitorf benachrichtigt. Dieser wiederum stand in engem Kontakt mit den Eheleuten, die sich seit Jahrzehnten, nachdem die erste Fledermaus an ihrer eigenen Kellertür gehangen hatte, um die geschützten Säugetiere kümmern. Das ging soweit, dass das Ehepaar sogar ein Jungtier des Großen Mausohr über sechs Wochen aufzog – ein sehr zeitaufwändiger Job. Egbert Brieskorn hatte nach einem weiteren Einflug einer Fledermaus in das offene Fenster einer anderen Pfarrhaus-Wohnung einen Dachdecker engagiert, um herauszufinden, wo die Tiere ihr Quartier haben. Eine Lücke im Dachstuhl fand sich als solches.

Fledermäuse hängen an den Balken. (Foto: Inga Sprünken)

Als die Kirche die Wohnungen aufgeben und ein Jugendtreff im Pfarrhaus einrichten wollte, ergriffen Brieskorns die Gelegenheit, den Fledermäusen eine größere Heimstatt zu verschaffen. Mit Unterstützung von NABU, BUND und der NRW-Stiftung Denkmalpflege und Naturschutz wurde die Wohnung ökologisch umbaut. Die Nasszellen wurden versiegelt, eine Wand entfernt und der entstandene große Raum fledermausgerecht umgebaut. Das war im Frühjahr 2011. „Schon 14 Tage später zogen die ersten Fledermäuse ein. Die sind gut vernetzt: wenn eine etwas entdeckt, kommen die anderen nach“, berichtet Brieskorn, dass sie schon bald Hunderte Große Mausohren zählten. Einmal wöchentlich kontrolliert sie vor Beginn der Dämmerung mit einem Nachtsichtgerät und einem speziellen Fernglas den Ausflug der Tiere. Dieser kann einige Zeit in Anspruch nehmen, da die kleinen Vampire nur durch einen winzigen Schlitz nacheinander ins Freie gelangen.

Eine Fledermaus an der Kellertür

Fledermäuse hängen auch an den Wänden. (Foto: Inga Sprünken)

Schon seit den 1970er Jahren beschäftigten sich Brieskorns mit der Natur. Die Fledermäuse weckten ihr Interesse nach dem Umzug in ein einsam gelegenes Haus in Eitorf. Dort hing eines Abends eine Fledermaus an der Kellertür. In den Jahren 2005/2006 sorgte das Ehepaar dafür, dass ein nicht mehr benötigter Wassernotbehälter in Rodder zu einem Winterquartier für die Tiere umgebaut wurde. Im Umfeld des eigenen Gartens installierten Brieskorns 64 Vogel-Nist- und 22 Fledermauskästen. „Es ist ein Hin und Her zwischen Vögeln und Fledermäusen“, so die Tierschützerin. Zwerg-Fledermäuse, Franzen-Fledermäuse, Bart-Fledermäuse und Braune Langohren gehören dazu. Von Letzteren hat sie 15 Stück entdeckt.

Die Turmstation soll Fledermäusen dienen. (Foto: Inga Sprünken)

Die Fledermausexpertin begleitete auch die Umnutzung der ehemaligen elektrischen Turmstation an der Schoellerstraße in Eitorf zu einer Wochenstube im Jahr 2018. Das Projekt konnte aber noch nicht abgeschlossen werden, da eine Straßenleuchte direkt auf das vorgesehene Einflugloch scheint. Die Lampe soll eventuell noch dieses Jahr abgeschaltet werden. Im Obergeschoss des Pfarrhauses jedoch fühlen sich die kleinen Vampire wohl – obwohl es manchmal recht warm dort wird. Heidrun Brieskorn kontrolliert regelmäßig die Temperatur und stellt den Tieren bei längeren Hitzeperioden, wie derzeit, Wasserschalen hin. Neben der Verdunstungskälte dienen sie zum Trinken. Manchmal legen sich die Tiere sogar um die Schalen herum, damit ihre zarte Flügelhaut nicht austrocknet.

Fledermäuse in der Kirche

Das Pfarrhaus ist fledermausfreundlich. (Foto: Inga Sprünken)

Mit einer Flügelspannweite von bis zu 40 Zentimetern ist das auch als Kirchenfledermaus bezeichnete Große Mausohr die größte heimische Fledermausart. Gerne nutzen die Tiere Kirchendachböden als Wochenstube. Diese beziehen sie ab etwa April und bleiben dort bis in den Herbst. Sie hängen den Tag über kopfüber an Balken und Mauern und fliegen in der Dämmerung aus zum Jagen. In der Zeit August/September paaren sich die in engen Sozialverbänden lebenden Weibchen mit den Männchen, die einzeln oder in kleinen Gruppen leben. Das Weibchen behält die Spermien bis zum Frühjahr in sich und Anfang Juni werden die Jungen hängend geboren. Sie krabbeln sofort am Bauchfell der Mutter entlang zu den Zitzen und werden später mit Insekten versorgt.

Fledermäuse im Pfarrhaus. (Foto: Inga Sprünken)

Spätestens im November ziehen die Fledermäuse in ihre Winterquartiere. In Höhlen, Stollen und Kellern verschlafen die Tiere, die bis zu 20 Jahre alt werden können, die kalte Jahreszeit. Dabei sind sie standorttreu. Wenn das Große Mausohr einmal eine Wochenstube oder ein Winterquartier für sich entdeckt hat, bleibt es.

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