Die Hexe im verlassenen Tal bei Weyerbusch

Die Hexe im verlassenen Tal in Rheinland-Pfalz.

Die Hexe im Mehrbachtal
Ist es der Altar einer Hexe? Ein skurriler Anblick bietet sich jedem, der dem Wirtschaftsweg, der von der Straße zwischen Weyerbusch und Leuscheid abzweigt, Richtung Mehrbachquelle folgt. Kurz vor dieser kommt man an einer Lichtung im sumpfigen Quellgebiet vorbei. Acht Baumwurzeln sind in einem Kreis angeordnet, in dessen Mitte die größte Wurzel als eine Art Altar steht. Geschmückt mit einem Pilz, einem kleinen Schleifen-Stock und einer Mariendistel mutet dieser von alten Eichen umstandene Ort geheimnisvoll an. Wer hält hier in den Wäldern der Leuscheid heimliche Treffen ab? Wer tanzt um diesen Altar?

Fast fühlt man sich erinnert an den Film „Blair Witch“, in dem Jugendliche auf den Spuren einer Hexe im Wald unterwegs sind. Zwar ist dieser Wald nicht ganz so dunkel und so tief wie im Film, aber eine Hexe soll auch hier in Unwesen treiben. Es ist die Mutter von „Lux“, einem Jungen, der so genannt wurde, weil er listig und verschlagen war. Er streifte einst im Wald umher, fing Vögel und Frösche, um sie zu Tode zu quälen. Als er im Dreißigjährigen Krieg an dieser Stelle gehängt wurde, brach die Hexe tot zusammen und hütet seither den einstigen Schatz des Dorfes im Brunnen.

Das reiche Dorf an der Quelle

Bei der großen Lichtung, auf dem sich dieser geheimnisvolle Ort, befindet, handelt es sich um eine Wüstung, also eine aufgegebene Siedlung. Der Ort Obermehren soll sich hier einst befunden haben, auch bekannt als „Geldborn“. Zwar in keiner Urkunde verzeichnet, existiert das einst 13 Häuser umfassende Dorf in der Legende und den Erzählungen der Einwohner der umliegenden Dörfer weiter. Ein Weiher, umstanden mit Schilf könnte in seinen Tiefen den einstigen Brunnen beherbergen.

Die Mehrbachquelle bildete in diesem heute sumpfigen Gebiet den Mittelpunkt des einstigen Dorfes, dessen Bewohner von der Landwirtschaft und dem Ertrag des Waldes lebten. Zur Winterzeit fällten sie das Holz im Wald, das sie mit dem Frühjahrshochwasser der Sieg bis Siegburg und Köln verkauften. Ein Teil des Holzes wurde auch zu Holzkohle gebrannt und an die Hüttenwerke im Siegerland verkauft, so dass in dem einsamen Dorf Wohlstand herrschte. Der Schöffe leitete die Geschäfte und sorgte dafür, dass der Gewinn anteilsmäßig auf alle Familien verteilt wurde.

Die Hexe bringt Unheil

Für schlechte Zeiten wurde der Rest des Geldes in einem Kupferkessel in einer schweren Eichentruhe im Hause des Schöffen aufbewahrt. Bei der Hexe handelt es sich um ein Mädchen, dessen Eltern einer sechsköpfigen Räuberbande angehört hatten, die im 16. Jahrhundert vom Scharfrichter in Herchen gehängt wurde. Das Mädchen behielt der Scharfrichter, da er keine eigene Kinder hatte, als Tochter. Schon früh sammelte sie Kräuter in Feld und Flur und stellte daraus Heiltränke her.

Im Alter von 20 Jahren heiratete die junge Frau den Sohn des Korbmachers und gebar einen Sohn, der wiederum die Untugenden ihrer Vorfahren geerbt hatte und daher Lux genannt wurde. Zusammen mit dem Uhu, dem Sohn eines Bauern aus Kuchhausen, streifte er im Wald umher und verbreitete Unheil, wo er nur auftauchte. Der Uhu verdankte seinem Namen der Tatsache, dass er den Ruf des Raubvogels besonders gut nachahmen konnte. Der Uhu, der Lux und die Hexe überlegten gemeinsam aus reiner Boshaftigkeit, wie sie den Menschen Leid zufügen könnten.

Die Hexe im verlassenen Tal, Baumkreis in Rheinland-Pfalz

Die Hexe vergiftet die Kühe

Den Kühen des Schöffen verabreichten sie etwa das gifte Kraut Wolfsmilch, so dass diese verendeten. Es wurde in den Mägen der Tiere gefunden. Zu dieser Zeit war der alte Schöffe bereits gestorben. Ein junger Mann aus Werkhausen, der dessen Tochter geheiratet hatte, hatte das Amt seines Schwiegervaters übernommen. Die Bürger des Dorfes fürchteten sich stets, wenn der Ruf des Uhu ertönte und die Hexe weissagte ihnen Unglück aufgrund der Zahl ihrer Häuser: der 13.

Nicht lange ließ das Unglück auf sich warten. Das kam zunächst in Form einer schlimmen Dürre. Gleichzeitig näherten sich die Fronten des Dreißigjährigen Krieges, was sich mit Donnerschlägen ankündigte. Einige Dorfbewohner packten ihre Sachen und verschwanden auf immer in den Leuscheider Wäldern. Sie wurden nie wieder gesehen. Und so kam es, dass nur noch 13 Menschen im Dorf wohnten. Der Schöffe lötete einen Deckel auf den Kupferkessel voller Geld, um ihn über den Krieg hinaus zu bewahren. Doch statt der Front kam eine schwarze Wolkenwand, die ein Gewitter und einen nicht enden wollenden Regen mit sich brachte.

Ein Dorf versinkt im Tal

Blitze zuckten und setzten Häuser in Brand. Der Regen löschte ihn, aber füllte gleichzeitig das ganze Tal mit Wasser. Die einstige Mehrbachquelle war zu einem rauschenden Bach angeschwollen. Der ausgetrocknete Boden konnte die Wassermengen nicht aufnehmen. Eine einst zum Schutz vor dem Winter gepflanzte Schutzhecke verhinderte, dass das Wasser abfließen konnte. So stauten sich davor Holz und Geröll und ließen das Wasser weiter ansteigen. Die Einwohner flüchteten ins Schöffenhaus, das zum Schluss in einem See stand.

Der Uhu nutzte die Panik und drang durch die Fluten in das Haus ein, um den Kupferkessel zu stehlen. Doch der Schöffe warf ihn in hohem Bogen an die Stelle, wo sich der nun überflutete Brunnen des Dorfes befand. Der Uhu sprang hinterher und riss den armen Schöffen mit sich. Unglücklich stürzte sich seine Frau hinterher. Der Schöffe ertrank und wurde später tot an der Schutzhecke gefunden, doch der unheimliche Ruf des Uhus erschallte noch immer.

Die Hexe wacht im Brunnen

Der Lux wiederum führte die Soldaten in das durch die Fluten verwüstete Dorf. Sie hatten ihn dazu aufgefordert, weil sie vom Schatz in dem einst wohlhabenden Dorf gehört hatten. Da der Kupferkessel aber nirgends zu finden war, erhängten sie den Lux an der Weide, an der einst der Schöffe den Deckel auf den Kupferkessel gelötet hatte.

Die Hexe fand ihren toten Sohn und brach an derselben Weide tot zusammen. Als die überlebenden elf Einwohner später in ihr Dorf zurückkehrten, packte sie das Grauen. Niemand traute sich mehr an den Brunnen und aus der Weide erschallte der Ruf des Uhus. Drum hüte man sich, diesen Wald bei Nacht zu betreten. Denn noch immer hockt die Hexe mit dem Kupferkessel in dem versunkenen Brunnen, vom Uhu bewacht.