Ein historischer Festsaal vom Verfall bedroht – Haus Kettwig
Ein historischer Festsaal ist zum Lost Place mutiert und begrüßt die Vorbeifahrenden auf der B56 in Kotthausen kurz vor dem Ortseingang Seelscheid. Das einst beliebte Ausflugslokal Haus Kettwig verfällt zusehends. War bis vor wenigen Jahren noch die Zufahrt zum einstigen Parkplatz geöffnet, verhindert schon seit einiger Zeit ein Bauzaun den Zugang zum Gebäude. Das besteht aus einem älteren Fachwerkbau und einem neueren großen Anbau. Auch die zwei stattlichen Bäume am Eingang bieten ein trauriges Bild.
Einst war das Fachwerkhaus samt dem daneben liegenden, historischen Festsaal aus dem Jahr 1912 (vermutlich ist das Fachwerkhaus ebenso alt) ein Anziehungspunkt für Jung und Alt. Unzählige Liebesbeziehungen nahmen hier ihren Anfang. Unzählige Feste und Tanzveranstaltungen wurden hier gefeiert. Unzählige Vereine trafen sich hier regelmäßig.
Der Festsaal und seine Statik
Heute ist vom Glanz früherer Zeiten wenig übrig geblieben. Versteckt hinter Buschwerk dämmert der in Fachwerkbauweise errichtete Festsaal in einem Dornröschenschlaf vor sich hin. Er wartet darauf, entdeckt zu werden. Doch die Chancen schwinden mit jedem Jahr des Leerstandes. Wie die Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid wissen lässt, lässt der Eigentümer aktuell seine Statik überprüfen.
Ist die Statik nicht mehr gegeben, ist der Saal abbruchreif. Dann ist der Weg frei für die Entfernung aus der Denkmalliste und einen Abriss. Denn eine Abrissgenehmigung gab es schon einmal für die Gebäude, die nicht unter Denkmalschutz stehen. Ein Projektentwickler hätte dann Platz für den damals angestrebten Bau von Eigentumswohnungen. Und der Eigentümer hätte ein Problem weniger. Endlich würde seine Investition den gewünschten Profit abwerfen.
Haus Kettwig und der Festsaal
Böse Zungen behaupten, dass genau dies der Plan war. Der dreischiffige Fachwerkwerkbau ist seit Anfang der 1980er Jahre unter Nummer 39 in die Denkmalliste der Gemeinde eingetragen. Das heißt, der Saal darf also weder abgerissen, noch verändert werden. Doch schon als der Festsaal in die Denkmalliste eingetragen wurde, gab es Ärger darum.
Der damalige Eigentümer, Matthias Kettwig, der den Gastronomiebetrieb seit 1974 führte, fürchtete, dass die Eintragung in die Denkmalliste den Verkauf der Immobilie eines Tages erschweren würde. Als er im Oktober 2001 die Gaststätte aufgab und sich kein Nachfolger fand, gab es dennoch Interessenten. Der Geschäftsführer der international agierenden Pumpen-Firma HOMA, Dr. Klaus Hoffmann, erwarb das Objekt – und ließ es leerstehen.
Unerfüllbare Vorgaben für den Festsaal
Laut seiner Aussage in einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 2017 wollte der Unternehmer das Haus retten. Dies sei aber immer wieder an den Denkmalschutzvorschriften gescheitert. Der Eigentümer sprach von „unerfüllbaren Vorgaben“ des Denkmalschutzes für die Restaurierung des Fachwerks. Diese seien unwirtschaftlich und von einem Privatmann, in diesem Fall ein erfolgreicher Unternehmer, nicht zu stemmen.
Die Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid, die als Untere Denkmalbehörde für den Erhalt von Denkmälern zuständig ist, hatte laut Pressesprecherin Anna Peters dem Eigentümer das Landesamt für Denkmalpflege im Rheinland für Beratungen zur Seite gestellt. Er habe sich aber nicht mehr mit der Verwaltung in Verbindung gesetzt, lautete die Aussage der Pressesprecherin im Jahr 2024.
Eine Förderung für den Festsaal wäre möglich gewesen
Das LVR-Amt für Denkmalpflege begleitet das Baudenkmal Festsaal Kettwig und seine geplante Nutzung/Umnutzung fachlich schon seit 2002. Das war die Zeit, als die Gemeinde eine Voruntersuchung zum Zustand des Festsaals beauftragt hatte. „Bis ins Jahr 2021 gab es in regelmäßigen Abständen Gespräche zwischen der Gemeinde, dem Eigentümer und dem LVR“, teilte LVR-Pressesprecherin Sabine Cornelius im vergangenen Jahr mit. Dabei sei der Eigentümer auch auf Fördermöglichkeiten hingewiesen worden.
Es gibt nämlich Zuwendungen aus öffentlichen Mitteln oder steuerliche Vorteile für Baudenkmäler wie dieses. In der Denkmal-Satzung sind finanzielle Unterstützungen festgeschrieben, die auf 20.000 Euro im Jahr angehoben wurden. „Ein Antrag auf eine denkmalrechtliche Erlaubnis, die Eigentümer mit dem Ziel einer Veränderung am Baudenkmal stellen, ist uns nicht bekannt“, sagte jedoch die Pressesprecherin auf Nachfrage.
Keine Kontaktaufnahme mit dem LVR
Auch habe es weder Vorgaben gegeben, noch sei eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Eigentümer aus den Akten ersichtlich. Ende 2018 hatte das LVR eine Untersuchung des Bestandes (Baukonstruktion, Statik, Schadensbild) empfohlen, um eine belastbare Grundlage für weitere Planungen und Konzepte für alle Beteiligte zu erhalten, wie das LVR mitteilte.
Eine erneute Nachfrage in diesem Jahr bei der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid als Untere Denkmalbehörde ergab, dass sich der Eigentümer seit geraumer Zeit um die Klärung statischer Fragen bemühe. Im Anschluss daran erfolgte eine erste Begehung durch einen Gutachter und die Beauftragung eines Standsicherheitsgutachtens. Dessen Ergebnis steht noch aus, wie Kristina Schik aus dem Bürgermeister-Vorzimmer mitteilt. Erst danach könnten mögliche weitere Schritte geprüft und abgestimmt werden.
Den Weg bereiten für eine Wohnbebauung
Im Sinne des Eigentümers wäre vermutlich die Abriss-Empfehlung. Bei dem ganzen Dilemma hätte die Kommune rechtlich gesehen Möglichkeiten gehabt einzugreifen. Paragraph sieben des Denkmalschutzgesetzes regelt nämlich die Pflichten des Eigentümers zum Erhalt. Kommt er diesen nicht nach, kann ein Ordnungsgeld verhängt oder Ersatzmaßnahmen eingeleitet werden, die dem Eigentümer in Rechnung gestellt werden. Im schlimmsten Fall droht eine Enteignung.
Doch davon hat Neunkirchen-Seelscheid keinen Gebrauch gemacht. Stattdessen heißt es, dass in der Vergangenheit bereits „verschiedene Maßnahmen betrachtet und im Jahr 2019 ein weiteres Konzept zur Nutzung angekündigt worden“ seien. Gemeint sind Abrissgenehmigungen für die Gebäudeteile, die nicht unter Denkmalschutz stehen. Laut der Verwaltung gäbe es ein Gutachten des LVR dazu.
Die Politik kümmert sich nicht um den Festsaal
Einen politischen Auftrag des Gemeinderates, die Gebäude anzukaufen, gab es nicht. Einen solchen hatte schon der frühere Bürgermeister Helmut Meng aus Sorge vor den Sanierungskosten, die damals mit 2,5 Millionen D-Mark beziffert wurden, abgelehnt. Im vergangenen Jahr sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Nicaole Männig-Güney in einem Zeitungsartikel im Generalanzeiger, dass ihre Fraktion es begrüßen würde, „wenn der Gasthof und insbesondere die großzügige Veranstaltungsfläche wieder nutzbar hergestellt wird“.
CDU-Fraktionsvorsitzende Anke Nolte teilte mit, dass sich der Ältestenrat der Gemeinde mit dem Thema befasse. Eine Anfrage bei der Oberen Denkmalbehörde, dem Rhein-Sieg-Kreis, ergab, dass diese nur bei Bürgerbeschwerden einschreiten würde und verwies auf Neunkirchen-Seelscheid als Untere Denkmalbehörde. So wird die Verantwortung von einem zum anderen geschoben.
Der Festsaal ist vom Verfall bedroht
Dass das Denkmal vom Verfall bedroht ist, kann man aus der Aussage schließen, die der Eigentümer in 2017 öffentlich traf. Demnach war der Saal von Anfang an in einem „desolaten Zustand“. Laut des Eigentümers soll das Dach teilweise undicht und Balken verfault gewesen sein. Der LVR habe aber nicht erlaubt, Ziegel vom Dach abzudecken und „unerfüllbare Vorgaben“ für die Restaurierung des Fachwerks gesetzt. Und auch eine Wiederbelebung der Gaststätte soll gescheitert sein
Insgesamt verwundert das, denn bis zum Verkauf hatten noch regelmäßig Karnevals- und andere Veranstaltungen dort stattgefunden. Während des Rathaus-Umbaus in Neunkirchen wurde der historische Festsaal sogar für Ausschusssitzungen der Verwaltung genutzt. Fakt ist, dass schon in 2017 ein Projektentwickler gesucht wurde, der das Gaststättengebäude abreißt und dort moderne Eigentumswohnungen baut. Was in diesem Fall mit dem historischen Saal geschehen sollte, bleibt offen. Die einstigen Überlegungen, den Saal abzutragen und im Lindlarer Freilichtmuseum wieder aufzubauen, wurden ebenfalls nicht realisiert. Der historische Festsaal ist und bleibt das ungeliebte Kind in der Denkmalliste – und ein verkanntes Juwel im Dornröschen-Schlaf.