Der Wolf und der Landrat

Wölfe sind soziale Tiere. (Foto: Inga Sprünken)

Beim Wort genommen

Ich, Ambrosius Unbeugsam (Ass.jur., Richter a.D., Stadtrechtsdirektor a.D., Erster Beigeordneter a.D., Bürgermeister a.D. und homo sapiens im Dienst) mag alle Sprachen dieser Welt. Wie „Am Anfang war das Feuer“ sind sie das, was uns kennzeichnet und prägt. Ich mag besonders aber die deutsche Sprache. Ja, sie ist schwerer zu singen als romanische Sprachen. Aber sie hat eine subtile und zugleich messerscharfe Bedeutungslyrik, wie uns Goethe, Schiller oder auch die Band Rammstein zeigen. Und sie wird verwendet, um uns zu zeigen, was wir denken sollen. Anlass für diese Kolumne 01.22 über den Wolf und den Landrat ist die genaue Beobachtung der Verwendung des Wortes besonders im politisch-medialen Gebrauch – auch unter Beachtung der psychologischen Erkenntnis:

Es ist mehr als das Wort, was das Stammhirn (hier sitzen die uralten Emotionen) erreicht!

Wer hat Angst vor´m bösen Wolf?

Der Wolf oder genauer seine Rückkehr dorthin, wo er vor (nur) ca. 150 Jahren zum natürlichen Bestand in Wald und Flur zählte, polarisiert. Besonders im Dreikreise-Eck Rhein-Sieg, Altenkirchen und Neuwied. Drei Landkreise mit seit alters her großen zusammenhängenden Waldgebieten. Damit werben sie auch, wenn es um eine intakte, naturnahe Umwelt und Tourismus geht. Seit etwa 2018 ist die Rückkehr des Wolfes dort neu. Seit rund 150 Jahren war es dort nicht nötig, sich auf die Anwesenheit von Wölfen in knapp zweistelliger Zahl einzustellen.

Kanadische Timber-Wölfe im Wolfsgehege in Kasselburg. (Foto: Inga Sprünken)

Das ist für alle nicht ganz einfach, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Änderungen sind stets mühevoll, und der Mensch ist von Natur aus bequem. Das ist die Basis etwa für den Beruf des Ingenieurs. Denn warum sonst sollte es zur Erfindung des Rades, des Kraftwagens oder der Waschmaschine gekommen sein?

Es soll hier aber weniger um das pro und contra zu Wolf und Artenschutz gehen oder um den Einfluss des Menschen auf die Natur und das Klima. Vielmehr geht um das Wort, das Politiker in diesem Kontext verwenden – sicher auch, um Wähler zur erreichen. Weil die Zahl der Wölfe deutlich zunimmt (soweit eine Tatsache) „fühlen sich die Menschen in bestimmten ländlichen Regionen nicht mehr sicher…“, sagt MdB Erwin Rüddel (CDU) aus dem Landkreis Neuwied in einer Berichterstattung am 12. Dezember im Generalanzeiger Rhein-Sieg (https://epaper.ga.de/webreader-v3/index.html#/994077/16-17). Das ist eine Meinung. Unterstützt wird er bei angedachten „Entnahmen von Wölfen“ aus der rheinischen Natur durch Landrat Hallerbach (CDU) aus dem Kreis NR. Gleich hinterher kommt die persönliche Einschätzung, man dürfe „die Menschen nicht im Stich lassen“.

Die Menschen sind nicht mehr sicher vor dem Wolf

Schauen wir uns das mal genauer an: Nehmen wir Herrn Rüddel beim Wort, so fühlt man sich in der Gegend SU/AK/NR auf dem Land „nicht mehr sicher“. Ich lebe dort und kann das nicht bestätigen. Checkt man das quer durch das Internet kommt man in Nordamerika und Europa (ohne Russland) doch tatsächlich von 2002 bis 2020 auf 14 erwiesene Wolfsangriffe auf Menschen, zwei davon tödlich – in Nordamerika. Weitaus zahlreicher sind Todesfälle und schwere Verletzungen im Zusammenhang mit der Jagdausübung. Forderungen der Politik, Jäger zu „entnehmen“ sind nicht auffindbar. Angesichts dessen scheint es sicherer, in Wolfsgebieten zu leben als in Jagdbezirken.

Ein kanadischer Timberwolf in Kasselburg. (Foto: Inga Sprünken)

Kommen wir zu der Redensart „im Stich lassen“. Die kommt von den Ritterturnieren: Von den beiden, die sich freiwillig darauf eingelassen hatten, war der Verlierer im Lanzenduell „im Stich gelassen“. Nach der Ritterzeit kam der Bedeutungswandel: Menschen in einer Notsituation allein und ihrem Schicksal zu überlassen, obwohl man helfen könnte, heißt, sie „im Stich zu lassen“. Auch, wenn sie sich selbst helfen könnten. Wie gezeigt ist die „Not“ eines Wolfsangriffs äußerst unwahrscheinlich. Also, lieber Herr Rüddel, wird damit wohl kaum jemand „im Stich“ gelassen.

Die Nutztier- und Hobbyhalter und der Wolf

Kommen wir zu den Nutztierhaltern mit sehr wohl verstandenem existenziellem Hintergrund. Soweit ersichtlich, haben von Rumänien bis nach Colorado (USA) alle eine Koexistenz mit Wölfen bisher geschafft und kann man mit den Herren Rüddel und Hallerbach auch bestärken, dass der Staat da unterstützen muss. Aber: Warum haltet ihr Rinder, denen das wehrhafte Gehörn abgezüchtet wurde? Und ich weiß von Rinderhaltern, denen die Panik der Herde durch Schwarzwildeinbrüche mehr Sorge bereitet als ein potenzieller Wolfsangriff.

Schafe sind gefährdet durch Wölfe. (Foto: Inga Sprünken)

Bleiben die Hobbyhalter von Schafen, Ziegen, Ponys. Ich verstehe deren Verhältnis zu den Tieren gut. Ich hielt jahrelang exotische Enten. Ich machte Fehler, es kamen Marder, Fuchs und Falke. Ich lernte daraus und forderte nicht vom Jagdpächter oder vom Staat, diese zu „entnehmen“. Ich fühlte mich nicht „im Stich gelassen“, sondern angeregt zu eigenen Schutzmaßnahmen – etwa zur sicheren Einhegung des Ganzen. Gegen „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ helfen sichere Zäune, ein Stall in der Nacht, Wachhunde oder die Kälberhaltung eben mit wehrhaften Muttertieren. Ja, mühevoll, aber wirksam gegen alle Fleischfresser.

Also ich weiß am Ende nicht recht, wer hier „im Stich gelassen wird“: Die Menschen gegen die Wölfe oder die Natur durch Politiker? Na ja, es bleibt dabei: Wer hat Angst vor´m bösen Wolf? Rotkäppchen? Die sieben Geißlein? Meine Meinung: Lasst die Wölfe in SU/AK/NR einfach in gut beobachteter Ruhe. Die Natur, menschliche Anpassungsfähigkeit und Unterstützung durch den Staat werden es richten, wie in der Lausitz in Brandenburg. Seit rund 20 Jahren leben die mit der Rückkehr des Wolfs … Wir brauchen einfach etwas Geduld.

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