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Der Geist im verlassenen Krankenhaus in Windeck

Der Geist im verlassenen Krankenhaus in Windeck

Der Geist im verlassenen Krankenhaus

Das Krankenhaus lag still und verlassen da. Es war ein kalter Winterabend, als ein junges Paar beschloss, die als Waldkrankenhaus bekannt gewordene Lungenheilklinik oberhalb von Windeck-Rosbach näher zu erkunden. Die Sonne war gerade untergegangen, und der Abendnebel kroch durch die alten Bäume rund um das verlassene Gemäuer. Die dunkle Natursteinfassade wirkte im dämmrigen Licht noch unheimlicher. Zerbrochene Fenster, abgeblätterte Farbe, verwitterte Schilder – alles flüsterte von vergangenen Leben.

Das Paar drang durch einen unverschlossenen Hintereingang des Krankenhauses ein. Der Flur roch ein wenig modrig, nach Feuchtigkeit und Staub. Ihre Schritte hallten auf den alten Fliesen wider. Es war unheimlich still. Doch plötzlich war ein leises Husten zu hören, ganz in der Ferne. Beide dachten zunächst an den Wind. Aber das Husten wiederholte sich, diesmal näher, rhythmisch, fast wie ein Ticken. Das Paar folgte dem Geräusch in einen alten Patientensaal. Auf den Metallbetten lagen noch zerlumpte Matratzen, auf denen Brösel der Deckenfarbe lagen. Die Vorhänge waren zerfetzt.

Der Geist im verlassenen Krankenhaus Fenster

Ein leises Husten im Krankenhaus-Flur

Als die junge Frau zum Fenster ging, um es zu öffnen, fegte ein kalter Windstoß hinein – und mit ihm eine Stimme: „Hilf mir…“ Der junge Mann wollte schon zurückrennen, doch seine Freundin plötzlich erstarrte. Aus dem Nebel vor dem Fenster schälte sich eine Gestalt – unscharf, fast durchsichtig, wie ein Schatten in einem Bettlaken. Es schien, als würde sie die Beiden stumm beobachten. Dann kam das Husten wieder, jetzt direkt hinter ihnen. Sie drehten sich um – der Flur war leer.

Panisch rannte beide die Treppen hoch, vorbei an alten Krankenzimmern, deren Türen quietschten, als wollte jemand sie warnen. An einer Wand blieb er plötzlich stehen: Auf einer vergilbten Patientenakte stand sein eigener Name – mit Datum von heute. Die junge Frau schrie, und die Gestalt tauchte direkt vor ihnen auf . Es war nur eine Silhouette, die verschwand, als sie den Flur entlang liefen. Sie rannten zum Haupteingang raus und keuchten vor Angst. Nach einigen Metern blickten sie zurück. Hinter ihnen lag die Klinik still im Nebel, als sei nichts geschehen. Aber jedes Mal, wenn der junge Mann nachts hustet, denkt er an die Lungenheilanstalt – und hört in seinem Schlafzimmer fast dasselbe leise Husten wie damals in Windeck.

Das Krankenhaus als Lost Place

Diese kleine Grusel-Geschichte passt zur Atmosphäre des ehemaligen Krankenhauses, das als mächtiges Gebäude hoch über der Straße thront und mit toten Augen auf die Vorbeifahrenden blickt. Es ist ein klassischer Lost Place. Alles ist zugewachsen, verrammelt und verriegelt, Fenster sind zerbrochen. Nur einem seitlichen Teil befinden sich noch drei vermietete Wohnungen. Hundert Jahre lang wurde das verträumt gelegene Waldkrankenhaus genutzt. Seit 23 Jahren wartet es auf Investoren, die seinen Wert zu schätzen wissen.

Zumindest Filmproduktionsfirmen tun das, denn es wurden schon mehrere Filme in der ehemaligen Lungenheilstätte der Auguste-Viktoria-Stiftung aus dem Jahr 1902 gedreht. Dazu gehörte der Film „Barfuß“ von Till Schweiger im Jahr 2004, als das Krankenhaus, die sich noch immer in Besitz der Kliniken der Stadt Köln befindet, Kulisse für eine psychiatrische Anstalt wurde. Im Jahr 2021 drehte man „Die Rettung der uns bekannten Welt“ (Drehbuch unter anderem Till Schweiger). Aus dem leerstehenden Krankenhaus wurde ein Therapiezentrum für Jugendliche. Und auch die Serie „Babylon-Berlin“ nutzte die skurrile Kulisse des Hauses für Filmaufnahmen für die vierte Staffel.

Der Geist im verlassenen Krankenhaus Front

Eine der ersten Lungenheilstätten

Eigentlich sollte aus dem Krankenhaus, das in den Jahren 1900 bis 1902 als eine der ersten Lungenheilstätten Deutschlands erbaut wurde, nach seiner Stilllegung im Jahr 2002 eine forensische Klinik für psychisch kranke Straftäter werden. Doch dies scheiterte an der heftigen Kritik der Bürger. Später gab es Pläne, aus den 6000 Quadratmeter großen Gebäuden – in einem Gebäudetel sind drei Wohnungen vermietet sind – und dem drei Hektar großen Park, den aus Thomas Manns Roman bekannten „Zauberberg“ zu machen.

Kein Lungensanatorium sollte hier entstehen, sondern es hatte sich eine Gemeinschaft gefunden, die dem Anwesen diesen Namen gab und es für ein Mehrgenerationenprojekt mit Hostel und Kleingewerbe, Kunst und Kultur nutzen wollte. Doch das Projekt, für das der Windecker Gemeinderat im Jahr 2013 eigens den Flächennutzungsplan änderte, scheiterte vermutlich an den Kosten. Damals war von einem sechsstelligen Kaufpreis und Investitionskosten in Höhe von drei Millionen Euro die Rede.

Verkauf zu einem symbolischen Wert

Heute soll das verlassene Krankenhaus zu einem symbolischen Wert von einem Euro verkauft werden, wie die Kliniken der Stadt Köln als Eigentümer im vergangenen Jahr mitteilten. Laut der Pressesprecherin ist das Haus in einem „relativ guten Zustand“. Es werde bewacht und technisch betreut. Sie verweist auf die Geschichte des Waldkrankenhauses, das einst von einer Kölner Bürgerstiftung als Lungenheilanstalt in Rosbach an der Sieg eröffnet wurde. Seit den 1960er- und 1970er-Jahren, als die Behandlung von Tuberkulose aufgrund der Antibiotika-Therapie einfacher geworden ist, nahme die Zahl der Patienten kontinuierlich ab. Die Heilstätte entsprach nicht mehr den technischen Anforderungen an einen Krankenhausbetrieb, als es im Jahr 2002 geschlossen wurde.

Das Krankenhaus böte gute Möglichkeiten, Wohnraum für unterschiedliche Nutzungsarten zu schaffen. Die Regionale2025 hat ihre Unterstützung und eine finanzielle Förderung zugesagt. Als „Waldkrankenhaus – Ein Denkmal für die Zukunft in Windeck“ ist das Anwesen im Qualifizierungsprozess der Regionale2025 verzeichnet. Es befindet sich im C-Status. Projektträgerin ist die Gemeinde Windeck. Da diese das Projekt aber nicht alleine realisieren kann, ruht es aktuell. Trotz der Verkaufsbereitschaft der städtischen Kliniken Köln hat sich bisher kein Investor gefunden.

Der Geist im verlassenen Krankenhaus Garten

Der Mottenbunker und seine Geschichte

Einst erbaut als Lungenheilstätte Auguste-Viktoria-Stiftung war sie eine stadtcölnische Einrichtung. Der Name der Stiftung bezog sich auf die Ehefrau von Kaiser Wilhelm II., Kaiserin Auguste Viktoria. Die Heilstätte, erbaut nach einem Entwurf des Kölner Architekten Johannes Baptist Kleefisch, öffnete am 13. September 1902. Sie diente der Behandlung von männlichen Tuberkulose-Patienten. Ihr Bau lag im Trend. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prägte der Begriff Lungenheilstätte die Kliniklandschaft. Zu dieser Zeit gab es auch einige Heilstätten für Kinder.

Insbesondere Luftkuren waren ein wichtiger Therapie-Schwerpunkt, so dass Höhenkliniken entstanden. Im Jahr 1854 hatte Hermann Brehmer die Lungenheilstättenbehandlung eingeführt. Im Volksmund wurden diese Kliniken auch „Mottenbunker“ genannt. Mit Motten waren Tuberkelbazillen gemeint. Die meisten Häuser hatten große Sonnenterrassen und Gärten, weil die Ultraviolettstrahlung und frische Luft die Heilung fördern sollten. Später wurde eine Impfung gegen Tuberkulose erfunden und es gab zeitweise sogar einen Impf-Zwang.

Ein Patient des Krankenhauses berichtet

Seit die letzten Patienten am 30. April 2002 die Rosbacher Einrichtung verließen, ist die teilweise unter Denkmalschutz stehende Anlage weitgehend ungenutzt. Das ist traurig, denn das Waldkrankenhaus in Windeck steht für einen wichtigen Teil der Sozial- und Medizingeschichte: Es erinnert daran, wie man vor über hundert Jahren mit Lungenerkrankungen umging und wie sich Gesundheitsversorgung im Laufe der Zeit verändert hat.

Karl war in den 1950er Jahren Patient in der Lungenheilklinik in Windeck. Der Mann war damals Mitte zwanzig und an Tuberkulose erkrankt. Er erzählte später oft von seiner Zeit dort – und nicht alles war so idyllisch, wie es die Geschichten von frischer Luft und ruhiger Umgebung vermuten lassen. Insbesondere der Winter hatte einen bleibenden Eindruck bei dem Patienten hinterlassen. Die Patienten mussten täglich stundenlang draußen liegen oder sitzen, um frische Luft zu bekommen – die sogenannte „Luftkur“.

Der Geist im verlassenen Krankenhaus Balkone

Das Essen im Krankenhaus war eintönig

Besonders schwer fiel manchem Patienten das Essen: Die Mahlzeiten waren oft eintönig und von der Diät bestimmt, die zwar medizinisch notwendig, aber wenig schmackhaft war. Viele Patienten fühlten sich dadurch geschwächt. Karl erzählte, dass er sich manchmal einsam fühlte, weil die meisten anderen Patienten älter waren und nicht viel miteinander sprachen. Für Karl war die Lungenheilklinik kein Ort der Geborgenheit, sondern ein Ort, an dem er seine eigene Verletzlichkeit und die Härte der Krankheit hautnah spürte – und er bekam mit, wie Menschen starben.

Es war, als hielten die Wände der Klinik die Erinnerungen aller Patienten fest – ihr Leid, ihre Hoffnung und die Angst vor der Krankheit. Karl überstand die Zeit, wurde gesund, aber oft, besonders in stillen, nebligen Wintern, hörte er noch das leise Rascheln der Bäume und dachte, dass die Lungenheilklinik nicht nur ein Ort der Heilung war, sondern auch ein Ort, an dem die Geschichten der Menschen weiterlebten – flüsternd, verborgen, zwischen den Schatten des Waldes.

Die Entdeckung des Penicillins brachte den Umschwung

Entdeckung des Penicillins im Jahr 1928 durch den schottischen Bakteriologen Alexander Fleming läutete den Umschwung nicht nur bei Tuberkulose ein. Fleming entdeckte zufällig, dass sich auf einer seiner Staphylokokken-Kulturen ein Schimmelpilz gebildet hatte. Um den Pilz herum waren die Bakterien abgestorben. Fleming identifizierte den Schimmel als Penicillium notatum und nannte die antibakterielle Substanz Penicillin.

Seine Entdeckung war bedeutend, aber es dauerte bis in die späten 1930er und frühen 1940er Jahre, bis Penicillin zu einem brauchbaren Medikament entwickelt wurde. Wichtige Beiträge dazu leisteten Howard Florey, Ernst Boris Chain und Norman Heatley. Sie entwickelten Methoden zur Reinigung und Herstellung von Penicillin in größerem Maßstab. Penicillin wurde im Zweiten Weltkrieg erstmals breit eingesetzt und rettete unzählige Leben. 1945 erhielten Fleming, Florey und Chain dafür den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.

Blutvergiftung durch Rosen

Das Leben von Albert Alexander, dem ersten Patienten, dem Penicillin verabreicht wurde, hatten sie jedoch nicht retten können. Er war 1941 systematisch mit gereinigtem Penicillin behandelt worden, nachdem er sich eine schwere Infektion zugezogen hatte. Der britische Polizist hatte sich beim Beschneiden von Rosen eine kleine Schnittwunde unter dem Auge zugezogen. Doch die Wunde war mit Bakterien infiziert. Sein Gesicht schwoll an, er bekam Abszesse, Fieber und eine Blutvergiftung. 1941 begannen die drei Forscher und ihr Team in Oxford damit, ihn mit Penicillin zu behandeln. Die Wirkung war sensationell: Schon nach einem Tag besserte sich sein Zustand sichtbar.

Doch es gab noch kein medizinisches Penicillin in größerem Umfang. Darum versuchten die Forscher das Penicillin aus dem Urin zurückzugewinnen, da es sich nicht abbaut. Sie extrahierten es daraus und verabreichten es ihm erneut. So konnten sie das Medikament mehrfach recyceln und die Therapie fortzusetzen. Doch das reichte nicht aus. Die Vorräte waren zu klein, und die Ärzte konnten nicht genug produzieren. Alexander starb einige Wochen später an seiner Infektion.

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Penicillin als Massenprodukt

Auch wenn der Patient nicht gerettet werden konnte, zeigte der Fall, dass Penicillin bei schweren bakteriellen Infektionen dramatisch gut wirkt. Damit war die Grundlage geschaffen, es in großem Maßstab zu produzieren — was ab 1943/44 gelang. In den USA begannen große Pharmafirmen wie Pfizer, Merck und Squibb die Produktion systematisch anzugehen. Penicillin wurde zum Massenprodukt und markierte den Beginn des Antibiotika-Zeitalters. Was folgte, war der übertriebene Einsatz von Antibiotika in den Folgejahren etwa bei Erkältungen, die gar nicht von Bakterien, sondern von Viren verursacht werden.

Auch in der Tierhaltung wurde Penicillin im großen Stil eingesetzt – und dass nicht nur zur Behandlung, sondern auch zur Vorbeugung und Wachstumsförderung. Überall in der Umwelt finden sich heute Antibiotika-Reste, die auf Milliarden von Bakterien treffen, die wiederum Resistenzen entwickeln. Wissenschaftler sehen darin große Gefahren für die Zukunft. Es droht eine Zunahme der Infektionen selbst bei Routine-Eingriffen wie Blinddarm- oder Kaiserschnitt-Operationen. Die WHO warnt bereits vor einer „Post-Antibiotika-Ära“. Infektionen, die früher leicht behandelbar waren, werden heute wieder gefährlich. Dazu gehört erneut eine multiresistente Tuberkulose. Wer weiß, vielleicht werden leerstehende Lungenheilstätten wie die in Windeck in Zukunft doch wieder gebraucht.

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