Tod durch Kopfschuss
Es sollte ein schöner Sonntags-Ausflug werden und endete mit dem Tod durch Kopfschuss. Mit dem Sportboot startete der 42-jährige Unternehmer Hermann Döbler in Begleitung der 21-jährigen Elke Märtens am Wannsee. Die Fahrt führte zunächst zum Griebnitzsee. Von dort ging es bei Kohlhasenbrück in den Teltow-Kanal. Hinter einer Autobahnbrücke lag eine Wassersperre, die den Kanal komplett abriegelte.
Vor diesem wollten die beiden das Boot drehen und wieder nach Wannsee zurückfahren. Dass die Grenzlinie aber bereits hundert Meter vor dieser Brücke verlief, wusste das Paar fatalerweise nicht. Auch dass sie bereits von zwei Grenzposten am südlichen Kanalufer beobachtet wurden, ahnten die Ausflügler nicht.
Plötzlich fiel ein Schuss
Plötzlich fiel ein Schuss. Voller Panik wendete die junge Frau das Boot und steuerte das West-Berliner-Ufer an. Das Paar winkte, doch die Grenzsoldaten sahen dies als Provokation an. Sie kannten keine Gnade und gaben nun gezielte Schüsse auf die Ausflügler ab. Hermann Döbler wurde im Knie getroffen. Der nächste Schuss traf ihn in den Rumpf, ein weiterer in den Kopf.
Er war sofort tot. Seine junge Begleiterin erlitt einen Streifschuss am Kopf und wurde lebensgefährlich verletzt. Sie trug bleibende Schäden davon. Es war der 15. Juni 1965.
Todeszone fordert Opfer
Am 15. August 1962 hatte die DDR die Grenzen zwischen Brandenburg und West-Berlin abgeriegelt. In den Folgejahren baute sie diverse Sperranlagen wie die Wassersperre auf. Der westliche Teil der einstigen Autobahn nach Berlin, zu der die Autobahnbrücke über den Anfang des 20. Jahrhunderts gebauten Teltow-Kanal gehörte, wurde gesprengt, damit niemand mehr dieses Hindernis überwinden konnte.
Dahinter errichtete die DDR bis zu 3,60 hohe Sperrzäune sowie diverse verminte Todesstreifen, die zwischen fünf und mehreren hundert Meter breit waren. Hunderte Bürger versuchten nach dem Mauerbau aus dem Gebiet der DDR zu fliehen. Mindesten 136 Menschen starben zwischen 1961 und 1989 bei Fluchtversuchen an der Berliner Mauer: 98 wurden erschossen, verunglückten oder nahmen sich im Grenzverlauf das Leben. 30 Menschen aus Ost und West starben so wie Hermann Döbler ohne überhaupt einen Fluchtversuch unternommen zu haben.
Tod von Grenzsoldaten
Acht Grenzsoldaten starben während ihres Dienstes bei der Verfolgung von Fahnenflüchtlingen. Darüber hinaus starben mindestens 251 Reisende aus Ost und West vor, während oder nach Grenzkontrollen an der Berliner Mauer. Ungezählt sind die Menschen, die sich aus Trauer, Verzweiflung oder Angst das Leben nahmen (weitere Infos gibt es bei der StiftungBerliner Mauer.
An sie erinnern heute noch Mahnmale am ehemaligen Checkpoint Charly in Berlin oder der überwucherten Autobahnbrücke bei Kleinmanchow (Berliner Grenze zu Brandenburg), auf die man unvermittelt stößt, wenn man am Teltow-Kanal spazieren geht. Sie bietet einen skurrilen Anblick, den auch viele Filmemacher nutzen, so dass im Bereich der Brücke oft Dreharbeiten stattfinden. Der einst gesprengte Bereich der Brücke kann heute über eine Stahlkonstruktion zu Fuß überwunden werden. Man stößt auf ehemalige Straßenleuchten, die völlig überwuchert sind, und alte Hinweisschilder.
Tod in der Todeszone
Ein ebenso bedrückendes Bild bieten neben dem nachempfundenen Mauerverlauf in Berlin die Grenzanlagen in Thüringen. Point Alpha an der Grenze zwischen Thüringen (Geisa) und Hessen (Rasdorf) war eine von vier wichtigen Beobachtungsstützpunkten der US-Army und später der NATO, zu deren Verteidigungskonzept er gehörte.
Auf der anderen Seite standen Wach- und Führungstürme der DDR-Grenztruppen. Der Stützpunkt lag im Zentrum der NATO-Verteidigungslinie „Fulda Gap“, in der die NATO im Ernstfall Truppen des Warschauer Pakts erwartete. Als Beobachtungspunkt war Point Alpha gut geeignet, da es sich auf 411 Meter Höhe auf einem Bergzug befand.
Das Haus an der Grenze
Heute findet sich hier eine Gedenkstätte mit dem „Haus an der Grenze“, in dem die Geschichte wieder lebendig wird. Thüringen hatte mit 763 Kilometer die längste innerdeutsche Grenze. Insgesamt verlief sie über 250 Kilometer durch die Rhön und trennte Dörfer, Freunde, Familien. Neben der Ausstellung vermitteln 22 ehemalige Wachtürme einen guten Eindruck davon, wie es hier vor der Grenzöffnung in 1989 aussah.
Und immer wieder trifft man auf Straßen, die einst Dörfer verbanden und seit Einrichtung des Sperrgebietes im Nichts endeten. Das Sperrgebiet war von der DDR-Führung in einer „Aktion Ungeziefer“ oder „Aktion Kornblume“ 1961 geräumt worden. Die Menschen wurden zwangsumgesiedelt und mussten in einer Nacht- und Nebel-Aktion ihre Häuser verlassen.
Schusswechsel in der Todeszone
Am 14. August 1962 kam es auch am Point Alpha zu einem Schusswechsel. Während eines Kontrollgangs erschoss ein BGS-Beamter versehentlich den Hauptmann der Grenztruppen der DDR, Rudi Arnstatt. Das rächte sich – wenn auch erst viel später, nachdem die Grenzen gefallen waren.
Im Jahr 1998 wurde der besagte BGS-Beamte mysteriöserweise zwischen Hünfeld und Rasdorf tot aufgefunden. Er hatte einen Kopfschuss erlitten. Der Grenzbereich war bereits 1995 durch die hessische Denkmalschutzbehörde unter Denkmalschutz gestellt worden.
Spaziergang an der ehemaligen Grenze
Heute kann man knapp zwei Kilometer an dem ehemaligen Grenzverlauf entlang spazieren und begegnet dort auch Mahnmalen anderer Art: einem steinernen Schäferhund. Der soll an die Grenzhunde erinnern, die die DDR zusätzlich einsetzte. Ihre Lebensbedingungen waren katastrophal. Bei Wind und Wetter fristeten die Tiere an einem Stahlseil, das ihren Bewegungsraum entlang der Grenzlinie einschränkte, ihr Dasein. Ihr einziger Schutz war eine hölzerne Hundehütte. Sie wurden nur wenig gefüttert, damit sie besonders scharf und aggressiv wurden. Bei der Ausbeutung von Tieren kennt der Einfallsreichtum der Menschen eben kein Ende.