Neubau contra Erhaltung: Das Haus „Auf der Arken“ steht leer
Da steht es – das einst prächtige Haus, nach dem Haus „Zum Winter“ am Marktplatz immerhin das zweitälteste in Siegburg: Das Haus „Auf der Arken“ ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Bis vor mehr fünf Jahren war hier noch ein spanisches Restaurant untergebracht. Doch dann wurde der Betrieb eingestellt, denn seine Eigentümer hatten einen Neubau im Sinn.
Die Kranz-Brüder hatten das alte Haus vor einigen Jahren erworben, weil es ihrem Hotel gegenüber lag. Das Grundstück bot sich an, um darauf ein Boardinghaus zu errichten. Rund um das Denkmal wurden dieses ab 2017 mit 19 Apartments und 17 Suiten erbaut. Der einst sehr beliebte Biergarten und die Anbauten an das alte Haus fielen diesen Bauarbeiten zum Opfer.
Dem Neubau fiel der Biergarten zum Opfer
So kommt es, dass auch die rückwärtige Giebelwand des Haus „Auf der Arken“ seither frei liegt, was nicht gerade förderlich für das alte Gemäuer ist. Dem Vernehmen nach soll es zwar Überlegungen gegeben haben, das historische Haus in den Neubau zu integrieren. Das ist aber – vermutlich aus wirtschaftlichen Gründen – bis heute nicht erfolgt.
Wie Siegburgs Pressesprecher Björn Langer in der Presse verlauten ließ, seien die Bauarbeiten im Rahmen der denkmalpflegerischen Regelungen erfolgt. Instandhaltungsmaßnahmen am historischen Gebäude seien aufgrund des hohen Alters des Gebäudes indes besonders wichtig, so seine Aussage.
Einst gab es einen Weinhandel im alten Haus
Das Fachwerkhaus, das 1517 erstmals urkundlich Erwähnung fand, wurde in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts als Sitz der Familie „up der Arken“ erbaut. Die Familie betrieb dort einen Weinhandel mit Weinausschank. Schützenswert ist das Haus auch aufgrund seiner mittelalterlichen Baukunst. Denn es wurde auf einem soliden Steinsockel als reiner Ständerbau mit einem markanten Vorsprung errichtet.
Das tragende System des Fachwerkhauses bildet sich demnach aus den gebäudehohen Balken, die bis zum Dach reichen. Sein aktuelles Erscheinungsbild geht auf eine Sanierung im Jahre 1926 zurück, bei der man das Fachwerk freigelegte, aber nicht komplett erneuerte. Seit 1984 steht das historische Anwesen unter Denkmalschutz. Verantwortlich für den Schutz des Hauses sind sowohl die Untere Denkmalbehörde der Stadt Siegburg als auch die Eigentümer.
Siegburg hat große Pläne
Gemäß dem Denkmalschutzgesetz sind Letztere in der Pflicht, es im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu erhalten. Dazu zählen Instandsetzungsarbeiten und der Schutz vor wetter- und zeitbedingten Schäden. Die Stadt könnte die Eigentümer dazu verpflichten. Doch der Schutz und die Pflege historisch wertvoller Gebäude sind oftmals mit hohen Kosten verbunden. Auf staatlicher Ebene sind auch Förderungen von Bund und Ländern möglich.
Das „Haus auf der Arken“ ist nicht das einzige Opfer von Baumaßnahmen. Auch die ehemalige Gaststätte „Bartmännchen“, direkt an der alten Stadtmauer in der Burggasse gelegen, hat durch Abrissarbeiten einen Schaden an einer Giebelwand davon getragen. Der Eigentümer des ehemaligen Weinlokals sieht die Stadtverwaltung nach dem Abbruch einer schützenden Mauer in der Haftung.
Abriss des alten Möbelhauses
Das einst daneben stehende Möbelhaus Duve, das schon seit vielen Jahren leer stand und in dem problematische Baustoffe verbaut wurden, wurde abgerissen. Die Stadt Siegburg möchte an seiner Stelle im Rahmen des vom Land geförderten Integrierten Handlungskonzeptes eine neue Verbindung zwischen Ringstraße und Burggasse bauen und den alten Stadtgraben freilegen.
Ein Steg soll den einst vor der Stadtmauer gelegenen Stadtgraben später überspannen. Damit möchte die Stadtverwaltung den Autoverkehr aus der Fußgängerzone herausholen, da sich dieser durch die geplante und genehmigte Bebauung des Allianz-Parkplatzes hinter der Marktpassage durch die Kreissparkassen-Tochter Pareto noch deutlich verstärken wird.
Siegburg genehmigte den Neubau
Wegen des geplanten Wohn- und Geschäftshauses, dem „Markt-Quartier“ mit einem großen Grundriss, muss auch die erst in den 1990er Jahren errichtete Markpassage erneuert werden. Sie befindet sich ebenfalls seit 2017 im Eigentum der Investorengesellschaft.
Der mit einem Glasdach versehene und sehr beliebte Freisitz fällt dem vom Kölner Projektentwickler geplanten, viergeschossigen Neubau nun zum Opfer. Auf etwa 6900 Quadratmetern möchte die Investorengesellschaft neben Gewerbeflächen auch 56 Wohnungen sowie eine Tiefgarage bauen. Eigentlich hatte die Pareto auf dem Allianz-Parkplatz ein neues Rathaus für die Stadt errichten wollen, was aber in 2018 am Widerstand der Bürger scheiterte.
Der Neubau ist gewinnbringend
Das Investition in dieses Areal soll nun endlich lohnen. Und so wurde den Mietern der Marktpassage gekündigt. Die Passage soll kernsaniert werden. Das aber geschieht erst, wenn der Neubau auf dem Allianz-Parkplatz fertig ist. Der Baubeginn soll im nächsten Jahr erfolgen, die Marktgarage bleibt solange geschlossen.
Das Gelände, auf dem die Pareto nun ihren großen Neubau errichtet, ist ein historisches, denn durch seine Lage in Nähe der Stadtmauer gibt es eine Reihe von Überbleibseln aus vorherigen Jahrhunderten. So stoppten etwa Bodenfunde die Kanal- und Leitungsbauarbeiten der Rhein-Sieg Netz GmbH vor dem „Bartmännchen“, das künftig hinter dem Neubau verschwindet.
Alte Kellergewölbe entdeckt
Die Arbeiter stießen auf Reste von Mauern, die auf alte Kellergebäude und die Pflasterung einer alten Gasse hinwiesen. Die Funde wurden von Archäologen auf die Grenze vom Spätmittelalter im 15. Jahrhundert zur frühen Neuzeit datiert. Keramikscherben, Knochen und Schlachtabfälle von Rindern und Pferden entdeckte man in den Kellerräumen.
Die Archäologen gehen davon aus, dass die Keller im Zweiten Weltkrieg zugeschüttet wurden. Darauf weisen Reste von Einmachgläsern und Holzgeländern hin. Im Durchgang des abgerissenen Möbelhauses zum Hinterhof waren übrigens auch noch weitere Reste der alten Stadtmauer entdeckt worden.
Neubau auf historischem Gelände
Bei Probegrabungen im Vorfeld des geplanten Neubaus im Jahr 2019 waren ebenfalls unter dem Allianzparkplatz Bruchsteine und Keramikreste entdeckt worden. Und auch ein Gewölbekeller aus den 1950er Jahren fand sich in Richtung des leerstehenden Hotels „Zum Stern“. Letzteres ist inzwischen ebenfalls zum Lost Place mutiert.
Das am Marktplatz gelegene Traditionshaus ist im Jahr 2020 den Corona-Maßnahmen zum Opfer gefallen. Die letzten Pächter waren Stefan Willems und seine Ehefrau Christina Kämper-Willems, die auch das Hotel „Kaspar“ unterhalb des Nogenter Platzes betreiben. Sie konnten wegen des Einbruchs der Buchungen das Hotel „Zum Stern“ nicht mehr halten.
Der Stern am Marktplatz ist erloschen
Das Hotel „Zum Stern“ errichtete 1899 Metzer Heinrich Linder neben seiner Metzgerei am Markt. Allerdings soll hier schon 1639 ein Gasthaus gestanden haben. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bombenangriffe das Haus, was aber schon an Silvester 1949/50 wieder eröffnet werden konnte. Ab 1966 gab es einen Stüssgen-Markt im Erdgeschoss, später die Schuhgeschäfte Bleifeld und Landgraf, das ebenfalls gerade Räumungsverkauf hat.
Die Familie Lindner schloss das Hotel 1972. Danach wechselten sich Pächter und Leerstände ab. In das Objekt wurde nicht mehr investiert, so dass sein prägnanter Stern zum Marktplatz hin auf immer zu erlöschen droht. Die Neonwerbung hat seit dem Ausstieg der letzten Pächter bereits ihren Geist aufgegeben. Doch alte Häuser erzählen Geschichten.
Haus zum Winter
Ein Beispiel dafür, dass es auch anders geht und es Menschen gibt, die einen Sinn für Erhaltenswertes haben, ist das denkmalgeschützte Haus zum Winter. Das ehemalige Pfarrhaus stammt mit seinen ältesten spätromanischen Bauteilen aus dem 13. Jahrhundert. Dazu gehören der Nordgiebel bis zum ersten Obergeschoss und der Keller.
Der inzwischen verstorbene Wolfgang Söntgerath kaufte das alte Haus in den 1980er Jahren und rettete es vor dem Verfall. Zwischen 1986 und 1988 ließ er das historische Gebäude umfassend sanieren und sorgte dafür, dass die Nordwand im ursprünglichen Zustand erhalten blieb. Heute gehört es seinem Sohn. Die oberen Geschosse sind vermietet und im Erdgeschoss ist der „Treffpunkt am Markt“ des Kreiskatholikenrates Rhein-Sieg untergebracht.
Haus zum Tannenbaum
Ebenfalls erhalten und liebevoll restauriert wurde das Haus „Zum Tannenbaum“ in der Holzgasse. Es wurde erstmals im Jahr 1699 urkundlich erwähnt und ist ein gutes Beispiel für die Fachwerkbauweise des 17. Jahrhunderts. Das Haus steht auf Kellergewölben aus der Zeit um 1400 und wurde in den 1970er Jahren entkernt und grundlegend saniert. So konnte der historische Charme des mächtigen Fachwerkhauses bewahrt werden.
Andere Fachwerkhäuser in der Holzgasse direkt unterhalb des Michaelsbergs waren indes in den 1970er der Stadtkernsanierung zum Opfer gefallen. Die Holzgasse war einst durch die Stadtmauer geschützt und von Werkstätten geprägt. Ihren Namen verdankt sie vermutlich ihrem einstigen Belag aus Holz. In früheren Jahrhunderten siedelten sich hier viele Juden an.
Neubau an der Wilhelmstraße
Wie schnell alte Häuser durch moderne Neubauten ersetzt werden, kann man auch an der Wilhelmstraße/Ecke Alleestraße beobachten. Nachdem das einst dort stehende und sicher einmal prächtige Bürgerhaus jahrelang leer gestanden hatte, war es vor einiger Zeit abgerissen worden. Es war nicht mehr zu retten.
An seine Stelle ist ein Neubau-Riegel getreten, der die ganze Ecke ausfüllt. Es bleibt zu befürchten, dass den historischen Häusern auf der gegenüberliegenden Seite dasselbe Schicksal droht. Auch hier gibt es seit vielen Jahren einen nicht zu nachzuvollziehenden Leerstand. Kommunen wie die Stadt Siegburg hätten zwar grundsätzlich die Möglichkeit, dagegen vorzugehen und die Eigentümer zu verpflichten, doch vielfach fehlt dafür das Personal.
Leerstand könnte verhindert werden
„Der Leerstand von Immobilien macht vielen Kommunen Sorgen. Er bremst die Stadtentwicklung aus und verdrängt das Leben“, sagt Philipp Stempel vom Städte- und Gemeindebund NRW. Der Pressesprecher verweist auf das Baulandmobilisierungsgesetz, das den Kommunen ein kommunales Vorkaufsrecht oder das Instrument des Baugebots verschafft. Es gelte, den individuellen Charakter der Stadt zu pflegen und zu erhalten. Zu diesem Zweck gibt es Gestaltungssatzungen und den Denkmalschutz.
Doch die Kommunen fördern eher den Neubau, der naturgemäß bei Investoren sehr beliebt ist. Grundstücke können bis zum Rand bebaut werden, um eine möglichst effektive Nutzung und ein Optimum an finanziellem Gewinn herauszuholen. Der funktionale Würfelbau mit Staffelgeschoss prägt das Gesicht vieler Kommunen. Die Orte verlieren ihren Charakter.
Neubau gegen Wohnungsnot
Diese „Gleichmacherei“ empfinden manche als Problem, andere weniger, denn eine optimale Ausnutzung eines Grundstücks wird vielfach auch als Mittel gegen die Wohnungsnot angesehen. Angesichts dieser erscheint es indes noch unverständlicher, dass in vielen Orten ältere Häuser jahrelang leer stehen und verfallen.
Besonders traurig ist es, wenn historische und denkmalgeschützte Gebäude leer stehen. Manchmal geschieht dies bewusst. Weil die Erhaltung aufwendig ist, lassen findige Immobilieneigentümer alte Immobilien einfach verfallen. Dann nämlich wird diesen Häusern der Denkmalschutz entzogen und sie können sie abreißen und durch diese hocheffizienten Neubauten ersetzen oder aber an Investoren verkaufen. Dass es auch anders geht, beweist dieses Beispiel.
Menschen bevorzugen alte Häuser
Gestaltungssatzungen könnten dies verhindern. Doch letztlich entscheidet die Kommunalpolitik vor Ort, welche Mischung die besten Lösungen für die Lage vor Ort bietet. Siegburg etwa hat hierzu in 2019 das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) beschlossen. Wie Pressesprecher Langer mitteilt, könnten Städtebaufördermittel, finanziert durch den Bund und die Länder dazu beitragen, Stadtquartiere attraktiver zu gestalten. Dieses würde auch bestehende Leerstände reduzieren.
In der Praxis sieht man davon nicht viel. Und dass obwohl die meisten Menschen, denen Fotos von Häusern vorgelegt werden, Gründerzeithäuser eindeutig bevorzugen. Die Fassaden mit Verzierungen, umrandeten Fenstern und spitzen Giebeln ziehen die Menschen modernen Neubauten eindeutig vor. „Viele Bauherren scheinen das nicht zu wissen“, urteilt Professor Friedrich Thießen von der Technischen Universität in Chemnitz. Ist das wirklich so? Oder ist es eher das Geld, das Investoren wittern, wenn sie ihre Neubauten gewinnbringend auf den Immobilienmarkt werfen?