Wir schreiben das Jahr 1850. Die Menschen in Europa leben mit dem Wolf. Doch das Raubtier wird zunehmend unbequem. Die Bevölkerung hungert und empfindet Wölfe als Nahrungskonkurrenz und Gefahr für ihre Weidetiere. So wird das Wildtier vor 150 Jahren nahezu ausgerottet. Doch der Wolf kehrt zurück – im Westerwald gab es laut dem rheinland-pfälzischen Wolfsbeauftragten Dr. Paul Bergweiler in 2016 den ersten Wolfsnachweis. Im Rhein-Sieg-Kreis wurde 2019 erstmals ein Wolf nachgewiesen. Als Folge davon haben sich inzwischen verhärtete Fronten von Gegnern und Befürwortern gebildet. Die einen wollen, dass das Raubtier wieder verschwindet, weil sie sich um ihre Weidetiere sorgen oder sogar Angst vor ihm haben, die anderen sind ganz fasziniert von diesem Wesen, das ganz selbstverständlich Teil der Schöpfung ist.
Die Rückkehr der Wölfe
Zu Letzteren gehört die im Westerwald lebende Schauspielerin Ute Maria Lerner. Als Initiatorin der Themenwoche „From soul to soul“ moderierte sie Anfang Juli einen Abend im Hachenburger Cinexx, in dem der Film „Die Rückkehr der Wölfe“ gezeigt wurde. In der 90-minütigen Dokumentation geht der Schweizer Regisseur Thomas Horat auf Spurensuche in der Schweiz, in Österreich, in die Lausitz sowie in Polen, Bulgarien und Minnesota. Er geht der kontrovers diskutierten Frage nach, ob und wie man sich mit dem Wolf arrangieren sollte und kann. Der aus der Lausitz angereiste Naturführer und Film-Protagonist Carsten Nitsch berichtete an dem Abend davon, dass sich die Menschen in seiner Heimat, in der sich der Wolf schon seit einigen Jahren wieder angesiedelt hat, langsam damit abgefunden hätten. Auch die Angst habe nachgelassen. Überwiegend haben Menschen Angst vor Wölfen, die sich auch vor großen Hunden fürchten. Das berichtet der österreichische Verhaltensforscher an der Universität Wien, Kurt Kotrschal, im Film. Er arbeitet eng mit Wölfen zusammen. „Wölfe sind sehr bereit mit dem Menschen zu kooperieren“, sagt er und betont die „unglaubliche Ähnlichkeit“ zwischen den „Raubtieren Mensch und Wolf“, die gar eine „schwesterliche Evolution“ ermöglicht habe.
Kotrschal hebt die Intelligenz und Kreativität der Wölfe hervor. Und genau diese Eigenschaften sind es, die die Weidetierhalter fürchten. „Wenn der Wolf erst einmal gelernt hat, einen Zaun zu überspringen, wird er es immer wieder tun“, erklärt der Schweizer Wildtierbiologe Reinhard Schnidrig. Allerdings sei es so, dass umso mehr man Wölfe störe, sie umso mehr Schafe rissen. „Sonst halten sie sich eher ans Wild“, so Schnidrig. Das bestätigt auch David Mech aus Minnesota (USA), wo es immer schon Wölfe gab. Der Forscher und sein Team beobachten die Tiere schon seit Jahrzehnten. Im Interview berichten zwei ältere Ehepaare, die dort inmitten von Wolfsrudeln in einem einsamen waldreichen Gebiet leben, dass sie niemals Probleme mit den Tieren gehabt hätten.
In den USA und in Bulgarien war der Wolf nie ausgerottet
Wie in Minnesota war auch in Bulgarien der Wolf nie ausgerottet. Dort haben die Menschen es gelernt, mit dem Wildtier zu leben. „Wenn wir genug Schafe haben, dann haben wir genug für uns und die Wölfe“, finden die dortigen Schafhalter, die die Probleme eher darin sehen, dass der Staat ihnen vielfach nicht mehr als zehn Schafe erlaubt. Sie lösen das Wolfs-Problem, indem sie Hirten einsetzen. Aus der Schweiz kommen Schafhalter zu Wort, die sich eigens Herdenschutzhunde anschaffen mussten, um ihre Weidetiere zu schützen. Sie finden, dass der Wolf in der Schweiz keine Zukunft hat. Andere wiederum sehen keinen unlösbaren Widerspruch zwischen der Wolfsansiedlung und der Beweidung der Almen.
Auch in Deutschland ist es laut Paul Bergweiler so, dass weniger die professionellen Schafhalter Probleme mit Wolfsrissen haben, sondern eher die Hobby-Halter, die ihre Tiere vielfach nicht ausreichend sichern. Probleme gebe es, wo Wölfe neu auftauchten. An diese Situation müsse man sich erst gewöhnen. Grundsätzlich liege das Problem eher bei den Menschen, die „soviel Landschaft vereinnahmen und alles besitzen wollen, was da ist“, betont der amerikanische Forscher im Film. Das meinte auch die Initiatorin des Abends: „Woher nehmen wir das Recht, zu bestimmen, wer wo leben darf“, fragte Lerner und äußerte die Hoffnung, „dass wir einen neuen Raum eröffnen können für den Wolf“.
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