Das Tal des Todes

Krabachtal (4)

Es ist dunkel, Nebel wabert über die kurvenreiche Straße, auf der ich fahre. Meine Scheinwerfer erfassen Schatten am Straßenrand, die im selben Moment wieder verschwinden. Das Grauen steigt in mir hoch – hier ist wirklich kein Ort, an dem man sich im Dunkeln länger aufhalten sollte. Ich gebe Gas, um schnell wieder hier weg zu kommen: das Krabachtal, das die Gemeinden Hennef und Eitorf trennt, ist ein unglücklicher Ort. In diesem Tal des Todes starben bereits zahlreiche Menschen. Laut Erzählungen waren es nach dem Krieg Kinder, die sich mit aufgefundenen alten Sprengkörpern in die Luft gejagt haben. Später sollen die Leichen zweier Frauen an einem Baum hängend entdeckt worden sein. Erhängt hat sich hier nachweislich auch eine junge Frau aus Lindscheid nach einem Liebes-Drama. Damit folgte sie ihrem Bruder, der sich Jahre zuvor ebenfalls im Krabachtal erhängt hatte.

Die kurvenreiche Straße im Krabachal. (Foto: Inga Sprünken)

Spektakulärer Mord im Krabachtal

Der dramatischste Todesfall in diesem tagsüber idyllisch anmutenden Tal war jedoch der Kettensägen-Mord. Es war vor fast genau zwölf Jahren, nämlich am 24. März 2011, als ein 24-Jähriger seinen dreieinhalbjährigen Sohn in einem Feldweg mit einer Kettensäge köpfte. Danach beging er Selbstmord. Der Mann aus Linz hatte den Jungen bei seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau abgeholt, um mit ihm ein Eis essen zu gehen. Statt zum Eis essen, fuhr er mit seinem Sohn ins Krabachtal und hielt in einem Feldweg. Dort stieg er aus, holte eine Kettensäge aus seinem Kofferraum, öffnete die Beifahrertür und enthauptete den Jungen auf dem Beifahrersitz. Danach legte er die Säge zurück in den Kofferraum, holte eine zweite Säge heraus, setzte sich auf den Fahrersitz und versuchte, sich damit selbst zu köpfen. Das gelang nur teilweise, reichte aber für seinen Tod.

Einer der Feldwege im Krabachtal. (Foto: Inga Sprünken)

Eine Joggerin wunderte sich am nächsten Morgen über das Auto, dessen Scheiben von innen mit roter Farbe beschmiert schienen. Bei näherer Betrachtung stellte sich die Farbe als Blut heraus. Sowohl sie, als auch die Rettungskräfte erlitten einen Schock bei dem grausigen Anblick, die sich ihnen bot. Am gleichen Morgen hatte die Mutter, mit der der Mann in Scheidung gelebt hatte, ihren Sohn als vermisst gemeldet, da er am Abend nicht wie vereinbart zurück gekehrt war. Sie sagte aus, dass ihr Ehemann zwei Wochen zuvor gedroht habe, sie und das Kind zu töten, was sie auch dem Jugendamt gemeldet habe. Das Eitorfer Jugendamt habe daraufhin eine sozialpädagogische Familienhilfe organisiert, um in diesem Sorgerechtsstreit eine kindgerechte Lösung zu finden.

Das Krabachtal bei Bach. (Foto: Inga Sprünken)

Und auch die verschwundene Sandra D. aus Eitorf-Bach, wo sich der Unterlauf des Krabachs kurz vor seiner Mündung in die Sieg befindet, wurde im Krabachtal gesucht. Das war anderthalb Jahre nach dem Kettensägen-Mord, im September 2012. Die 42-Jährige war nach ihrer Arbeit im Supermarkt spurlos verschwunden. Ihr Ehemann wurde des Mordes verdächtigt, was aber nicht bewiesen werden konnte, da es keine Leiche gab (wir berichteten). Es hieß, der Koch solle die Leichenteile seiner ermordeten Ehefrau über das Krankenhaus, in dem er arbeitete, entsorgt haben. Er solle die Frau, die sich von ihm trennen wollte, nach einem Streit die Kellertreppe hinab gestoßen und sie dann im Ehebett erwürgt haben.

Ein Straßenschild in Bach. (Foto: Inga Sprünken)

Geister im Krabachtal

Der Legende nach soll im Bereich des Krabachtals auch der „glöhnige Hunk“ umgegangen sein. Wer zu früheren Zeiten spät abends zu Fuß im Tal unterwegs war, wurde nach einiger Zeit von einem Wesen verfolgt. Ein Bauer soll es in letzter Minute in sein Haus geschafft haben, nachdem er zuvor zwei glühende Augen hinter sich gesehen hatte. Als er die Tür hinter sich zuschlug, hörte ein wildes Kratzen draußen. Ein böser Geist soll in Form eines schwarzen Hundes mit glühenden Augen umgegangen sein. Der geistliche Rektor von Merten soll den Wald jedoch von dem Unhold befreit haben. Im Namen der Dreifaltigkeit trat er dem Tier im priesterlichen Gewand entgegen und befahl ihm, zu weichen. Von Stund an war der „glöhnige Hunk“ verschwunden.

Ein Wegekreuz in Bach, Krabachtal. (Foto: Inga Sprünken)

Nach wie vor aber soll das „Jutzgrietchen“ im Krabachtal umgehen. Das Mädchen aus Mittelscheid hütete einst die Kühe im Tal. Als seine Mutter es rief, antwortete es nicht, sondern machte sich einen Spaß und „jutzte“ nur. Dadurch geriet die Mutter derart in Wut, das sie es verfluchte. Sie rief: „Ech wöll, dat du jutzen mööts bes zum jöngsten Daach!“ Kurz darauf wurde das Grietchen krank und starb. Noch heute hört man des nachts sein Jutzen im Krabachtal.

Die Quelle des Krabachs. (Foto: Inga Sprünken)

Der Krabach entspringt übrigens genau am einstigen Drei-Länder-Eck (Herzogtum Sayn, Kurfürstliches Erzbistum Köln und Herzogtum Berg), das der Drei-Herren-Stein bei Meisenbach markiert und das schon immer heiß umkämpft war. Von dort fließt der Grenzfluss über zehn Kilometer durch das Tal und mündet kurz hinter der ehemaligen Mühle in Bach in die Sieg. Aufgrund seines schlechten Rufes ist das unselige Tal, in dem es heißt, dass man tagsüber schön wandern kann, auch Schauplatz des jüngsten Krimis von Heribert Weishaupt. Unter dem Titel „Freitod“ beschreibt der Troisdorfer Autor den Mordfall einer jungen Frau. Auf die Idee zu dem im vergangenen Jahr erschienenen Krimi kam er, als seine Frau davon berichtete, einmal nachts alleine bei regnerischem Wetter auf einer kurvenreichen Strecke durch das unheimliche Krabachtal gefahren zu sein.

 

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