Surplus Killing und das Verschwinden der Wölfe

Wolf auf Nahrungssuche. (Foto: Inga Sprünken)
Man kennt das Verhalten vom Fuchs im Hühnerstall. Wenn Raubtiere mehr Tiere töten, als sie fressen, spricht man von „Surplus Killing“ oder Deutsch „übermäßigem Töten“. Dieses natürliche Verhalten löst beim Menschen besonderes Entsetzen und Unverständnis aus, ist aber verhaltensökologisch einfach zu erklären. Den Tieren geht es um ihr Überleben. Sie erlegen eine Beute und wollen sie in Ruhe fressen. Das ist in der Natur auch einfach möglich. Wenn beispielsweise der Wolf ein Reh erlegt, preschen die anderen weg. In einem eingezäunten Gehege geht das nicht. Die eingesperrten Tiere laufen panisch hin und her. Das stört den Wolf beim Fressen und löst bei ihm immer wieder den Beutefangreflex aus. So tötet er alle Tiere, damit er ungestört ist.
Nur ein Schaf wurde gefressen. (Foto: privat)

Das war auch so beim jüngsten Angriff auf eine Schafherde in Windeck-Dreisel am 17. Oktober. Es war mutmaßlich ein Wolf, der in eine Weide mit sechs Bretonischen Zwergschafen eindrang. Nur der Bock wurde gefressen, die anderen Tier getötet, was eine Spaziergängerin am Morgen entdeckte. Sie informierte den zuständigen Jäger, Daniel Schrapers. Der ehrenamtliche Wolfsberater Dietmar Birkhahn wurde hinzugezogen und nahm von jedem toten Tier zwei Proben. Ob die Schafe von dem inzwischen schon bekannten Wolfsrüden „GW 1896m“ getötet wurden oder von einem anderen Tier, wird nun mittels Gen-Analyse festgestellt. „Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz lässt die Proben Senckenberg-Institut untersuchen. Das dauert bis zu sechs Wochen“, sagt Birkhahn.

Was ist mit den Wölfen passiert?

Laut seiner Aussage wurde der Rüde „GW 1896m“, der bereits mehrfach bei Weidetieren nachgewiesen wurde, das erste Mal am 25. Oktober 2020 in Mauern (Bayern) nachgewiesen. Damit entkräftet er Vorwürfe der in Quirnbach im Westerwald angesiedelten Naturschutzinitiative (NI), die behauptet hat, dass dieser Wolf aus dem Rheinbrohler Rudel stamme und dort bejagt worden sei. In der Folge habe er sich auf Weidetiere spezialisiert. Laut einer Pressemitteilung der NI sind seit indes Frühjahr 2020 acht Wölfe zwischen Rheinbrohl und Bad Hönningen verschwunden. Dazu gehört auch die Fähe, die im Westerwald auf dem Stegskopf am ehemaligen Truppenübungsplatz angesiedelt war. Außer einem Abschuss könnten eine weitere Erklärung für das Verschwinden der Raubtiere auch die vielen Holzfällarbeiten im Wald sein, die sie stören.

Fakt ist, dass das Abschießen von Wölfen strafbar ist und dass es auch Jäger gibt, die sie nicht als Konkurrenz ansehen und sich dagegen aussprechen. Dazu gehört der Windecker, der bei dem jüngsten Vorfall hinzugezogen worden ist. Schrapers meint, der Wolf würde den Rehbestand insgesamt nicht spürbar mindern. Rehe seien keine leichte Beute, sie seien schnell und könnten in alle Himmelsrichtungen davonlaufen. Im Gegensatz dazu könne das eingezäunte Weidetier dem Wolf nicht ausweichen, was dieser schnell gelernt habe. „In Zukunft wird es wohl eher darum gehen, den Wolf ,auszuzäunen’ als die Weidetiere einzuzäunen“, so der Jäger. Angesichts der zunehmenden Risse kritisiert Wolfsberater Birkhahn den „fehlenden Grundschutz der Tiere“. Bei jedem dokumentierten Riss des Leuscheider Rudels habe es keine ausreichenden Zäune gegeben. Und das, „obwohl es im gesamten Wolfsgebiet eine Förderung von hundert Prozent auf das Material durch das Land NRW gibt“, so Birkhahn.

Wolf auf Nahrungssuche im Kircheiber Wald. (Foto: Inga Sprünken)

Die Wölfe haben leichtes Spiel

Laut seiner Aussage verzichteten viele Hobbyhalter auf den Wolfsschutz und riskierten damit den Tod ihrer Tiere. Dies wiederum trüge zur Konditionierung des Wolfs auf Nutztiere als leichte Beute bei. Anders sieht es bei den hauptberuflichen Schäfern und Landwirten in der Region aus. „Die professionellen Schäfer haben fast alle verstanden, dass es wichtig ist, ihre Tiere zu schützen“, sagt der Wolfsberater mit Blick auf Elektrozäune. Die stellen eine psychologische Barriere dar. Das lernen sowohl die Weidetiere, als auch die Raubtiere. Der Stromschlag bleibt im Gedächtnis haften. Fatal ist nur, wenn Elektrozäune unzureichend installiert sind. Dann verlieren sie ihren Schrecken – für beide Seiten.

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