Die verschwundene Insel im Rhein

Der Aalschokker am Fischereimuseum. (Foto: Inga Sprünken)

Wer auf dem Wassererlebnisweg im Bereich der Siegmündung läuft, stößt unweigerlich auf sie: diverse alte Kähne, die auf dem „Diescholl“, dem früheren Flussbett und heutigem Altarm der Sieg, vor sich hin dümpeln. Dazu gehört auch der Aalschokker. Das Boot zum Fang von Aalen kam zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts aus den Niederlanden an den Rhein, wo noch ein reger Aalfang herrschte. Es verfügte über keinen eigenen Antrieb und konnte nur mit Ketten und Winden an seinen Fangplatz geschleppt werden.

Die Fischerei an der Sieg

Das Fischereimuseum zeigt die Fischereitradition. (Inga Sprünken)

Die Boote gehören der Fischereibruderschaft zu Bergheim an der Sieg, einer der ältesten Bruderschaften. Sie entstand im Mittelalter aus einer Gemeinschaft von 14 Fischerfamilien. Diese hatten die Fischrechte für die Siegmündung und die rechte Rheinseite zwischen Beuel und Mondorf. Daraus entwickelte sich eine zunftähnliche Bruderschaft, die zu einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft wurde. Denn der Fischfang bildete über viele Jahrhunderte die Lebensgrundlage der Menschen an der Sieg. Ein guter Fischer kannte die Gewohnheiten der Fische und die Eigenheiten der Gewässer. Dazu wählte er die dazu passende Fangmethode. Über Generationen wurde dieses Wissen weitergegeben, denn ein erfolgreicher Fang brachte nicht nur den Fischern und ihren Familien ein Auskommen, sondern auch Korbmachern, Netzstrickern, Bootsbauern, Händlern und Gastwirten.

Als die berufliche Fischerei Mitte des 20. Jahrhunderts endete, bestand die Fischereibruderschaft weiter fort und besitzt bis heute die Fischereirechte. Sie betreibt heute das Fischereimuseum und informiert dort über die Traditionen des Fischfangs der Sieg und kümmert sich um die den Naturschutz in der Siegaue: https://fischereimuseum-bergheim.de/. Denn der Mündungsbereich der Sieg weist eine reiche Tier- und Pflanzenwelt auf. Die Auenlandschaft beherbergt nicht nur seltene Pflanzen, sondern auch kleine Vampire: 16 der 25 heimischen Fledermaus-Arten sind hier vertreten. Dazu zählt sogar die seltene Rauhaut-Fledermaus, die nur zur Balz an die Siegmündung kommt. Den Sommer verbringt sie in Skandinavien und den Winter in Spanien, sie fliegt über 2000 Kilometer.

Die Pfaffenmütze

Die Siegmündung wurde verlegt. (Foto: Inga Sprünken)

Die vielen Rinnen in der Siegaue zeugen indes von der Siegkorrektur im Jahr 1777. Zahlreiche Siegschleifen wurden damals zum Schutz der Ansiedlungen und der Wirtschaftsflächen abgeschnitten. So mündete die Sieg einst einen halben Kilometer von Bergheim entfernt in den Rhein. Davor lagen mehrere Inseln, unter anderem die „Pfaffenmütze“, auch Kemper Werth genannt, die heute eine Landzunge zwischen Sieg und Rhein bildet. Da die Begradigung der Siegmündung zu starken Geröllablagerungen in der Sieg und damit zu hohen Wasserständen geführt hatte, wurde das Kemper Werth 1852 durch einen Damm mit dem Ufer verbunden, so dass die Sieg vor der Mündung parallel zum Rhein fließt.

Ihren Namen verdankte die „Pfaffenmütze“ der Form einer Festung, die sich einst auf ihr befand: sie glich den eckigen Hüten, die Pfarrer früher trugen. Die Insel war im 17. Jahrhundert relativ groß, der Rhein hat im Laufe der Jahrhunderte viel abgetragen. Zu Zeiten des 30-jährigen Krieges verteidigte Hauptmann Heinrich Ludwig von Hatzfeldt die Festung gegen die Spanier. In dieser Zeit lebten bis zu 3000 Menschen (Soldaten) auf der heute verschwundenen Insel. Die Spanier besetzten die Festung und hielten sie bis 1629. In einer Karte aus dem Jahr 1796 von Carl Friedrich von Wiebeking sind noch zwei Inseln zwischen Graurheindorf und der Siegmündung als Pfaffenmütze verzeichnet. Von Inseln und Festung ist heute nichts mehr zu sehen. Sie fielen den umfangreichen Wasserbaumaßnahmen zur Rheinbegradigung im 19. Jahrhundert zum Opfer.

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