Blutopfer am sagenhaften Druidenstein

Geheimnisvoller Druidenstein in Herkesdorf. Foto: Inga Sprünken

Kraftorte sind magische Plätze, an denen es zu besonderen Erlebnissen kommen kann. Die Kelten sahen in ihnen das Zuhause der Waldgeister. Gutgesinnte hatten von den Waldgeistern nichts zu befürchten, doch wer Böses im Schilde führte oder der Natur schadete und sich an ihr verging, erfuhr ihren Zorn. Die Druiden zogen sich regelmäßig an Kraftorte zurück, um dort mit den Naturgeistern in Kontakt zu treten. Von Bedeutung waren dabei auch Bäume, die in der näheren Umgebung wuchsen. Denn Bäume sahen die Druiden als beseelte Wesen an, die die Geheimnisse des Kraftortes hüteten.

Über 700 Jahre alt ist dieses Baumwesen. (Foto: Inga Sprünken)

So stellten etwa Eschen, Erlen und Haselsträucher ein Portal zur Anderswelt für die Druiden dar. Ein Birkenkreis symbolisierte den Fluss besonders vitalisierender Energien und machte ihn zu seinem idealen Ort für Kraft- und Fruchtbarkeits-Rituale. Hundertjährige Linden wie sie auf manchen Marktplätzen, etwa in Geisenheim im Rheingau, noch zu finden sind, wurden als Orte der Wahrheitssuche verehrt. Hier wurde selbst im Mittelalter noch Gericht gesprochen, aber auch Hochzeitsfeiern abgehalten. Die Kelten kannten sogar ein Baumhoroskop, das die Druiden deuteten, indem sie Bäumen und deren Energien besondere Eigenschaften zusprachen.

Unter Linden wurde Recht gesprochen. (Foto: Inga Sprünken)

Der Druidenstein als Opfer- und Kultstätte

Die Druiden waren die geistige Elite in der keltischen Gesellschaft und verfügten über besonderes Wissen um die Kräfte der Natur. Wie Priester führten sie Rituale durch, heilten und sprachen Recht. Um zu einer Erkenntnis zu gelangen, suchten sie Orte mit hohem energetischem Potenzial auf. Dazu gehören auch die Extern Steine in Teutoburger Wald (https://rheinland-reporter.de/legenden-umranken-uraltes-keltisches-heiligtum/). Der Druidenstein in Herkersdorf in der Nähe der Siegquelle ist indes direkt nach den Druiden benannt worden. Die pyramidenförmige, 20 Meter hohe Erhebung aus Basaltstein stellt den höchsten Punkt des Ortes dar und gehört zu den bedeutendsten geologischen Sehenswürdigkeiten in Rheinland-Pfalz. Er befindet sich 431 Meter über Normalnull.

Von der Kultstätte zum Heiligtum: der Druidenstein. (Foto: Inga Sprünken)

Erdgeschichtlich ist der 25 Millionen Jahre alte Kegel der Rest einer mächtigen Basaltkuppe, die von einer 400 Millionen Jahre alten Schicht aus Sandsteinen, Grauwacken und Tonschiefern aus dem Unterdevon umgeben ist. In vorchristlicher Zeit soll der Druidenstein als Kultstätte genutzt worden sein. Viele Sagen ranken sich um die mystische Erhebung bei Kirchen an der Sieg. Zu ihnen gehört die Geschichte der Jungfrau Herke, der Herkersdorf seinen Namen verdankt. Ihre verbotene Liebe musste sie mit ihrem Tod auf dem Opfertisch am Druidenstein bezahlen.

Nachdem die Kelten das Land an der Sieg in Besitz genommen hatten, errichteten sie auf dem Druidenstein eine Opferstätte für ihre Götter. Makellose Jungfrauen von edler Geburt wurden für die heiligen Handlungen am Opferstein ausersehen. Herke, liebliche Tochter eines Stammesfürsten, taufrisch und rein wie der Bergquell, vermochte jedoch ihre aufkeimende Liebe zu einem edlen Jüngling ihres Stammes nicht zu bezwingen. Als wieder einmal an einem schönen Sonnwendabend der heimliche Geliebte vor ihr stand, vergaß sie ihre Pflicht, ihre Jungfräulichkeit zu behüten und folgte ihm. Das jedoch blieb nicht unentdeckt. Häscher jagten den Frevelnden nach, erstachen den Jüngling und schleppten die Verzweifelte zum Opfertisch. Dort büßte Herke mit ihrem Blut für das begangene Unrecht.

Bei Vollmond hört man ein Jammern. (Foto: Inga Sprünken)

An jedem Vollmond hören die Bewohner unterhalb des Druidensteins seither das Jammern und Wehklagen der Geopferten. Sie erschauern und bekreuzigen sich. Unglücklich Verliebte aber vermeinen, in solchen Nächten die tröstende Stimme der Herke zu vernehmen. Sie gilt als die Beschützerin bedrängter Liebe.

Ein Blitzschlag traf den Druidenstein

Die Spitze des Druidensteins wurde im Dreißigjährigen Krieg abgebrochen, damit sich feindliche Truppen nicht daran orientieren konnten. Zur damaligen Zeit war die Spitze des Bergkegels noch weithin sichtbar, der heutige umgebende Wald war kaum vorhanden. Und auch für den Straßenbau musste der Basalt des Druidensteins herhalten. Er wurde als Steinbruch genutzt. Im Jahr 1979 wurde diese Entweihung Taranis, dem keltischen Gott des Wetters und des Donners, wohl zu viel. Er schleuderte einen Blitz auf den Berg. Der Einschlag war so gewaltig, dass der Basaltkegel danach mit sechs Stahlbetonbalken gestützt werden musste.

Ein Blitz traf den Druidenstein. (Foto: Inga Sprünken)

Der Druidenstein, der schon 1896 unter Naturschutz gestellt worden war, zählt heute zu den rund 3000 Naturdenkmälern von Rheinland-Pfalz. Seit 2006 ist der Berg ein Nationaler Geotop. Das sind Fenster zur Erdgeschichte, also Orte, die wegen ihrer Schönheit, Eigenart oder ihres hohen wissenschaftlichen Wertes für die Entwicklung der Erde und des Lebens Bedeutung haben. Seine ungewöhnliche Form erhielt der Druidenstein durch die Lava, die sich durch die devonische Grauwacke bergabwärts hindurchzwang. Beim Abkühlen bildeten sich die prägnanten Säulen heraus.

Kapelle am Fuß des Druidensteins. (Foto: Inga Sprünken)

Als heidnische Kultstätte erging des dem Druidenstein wie vielen anderen auch. Sie wurden von den Christen annektiert. So errichtete in den 1920er Jahren der Katholische Kreuzwegbauverein Herkersdorf einen Kreuzweg vom Ort hinauf zum Basaltkegel. Die Einweihung fand am 16. Oktober 1927 statt. Direkt unterhalb des Druidensteins findet sich heute eine Kreuzigungsgruppe und an der Nordseite in einer Nische der Basaltwand eine Marienstatue. Am Himmelfahrtstag gibt es Prozessionen von Herkersdorf über den Kreuzweg zum „Köppel“, wie der Berg von den Einheimischen genannt wird.

Die Marienstatue in der Basaltwand des Druidensteins. (Foto: Inga Sprünken)

In den 1950er-Jahren fanden Festspiele auf der „Druidenstein-Freilichtbühne“ statt, die aber Anfang der 1960er-Jahre eingestellt wurden. Heute finden hin und wieder Freiluftkonzerte am Druidenstein statt. Ein Musical, das die Geschichte des mystischen Basaltkegels thematisieren soll, ist seit 2022 in Vorbereitung.

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