Demonstration in Eitorf

Demonstration

Jahrelang haben die Deutschen geschwiegen. Sei es die Schere zwischen Arm und Reich, die immer weiter auseinander driftet, sei es die immer desolater werdende Infrastruktur, Themen wie Wohnungsnot oder Flüchtlingskrise, Corona oder Maßnahmen, die den Klimawandel bekämpfen sollen wie E-Mobilität und Heizungsgesetz. Auch die Rücknahme der Steuervergünstigungen in der Gastronomie, die manch ein Lokal in 2024 nicht mehr eröffnen ließ, führte nicht zu einem merklichen Aufschrei der Betroffenen. Erstmals brachten die jüngsten Sparmaßnahmen der Ampel-Koalition im Januar Menschen auf die Straße. Die Bauern wehrten sich dagegen, dass ihnen die Diesel-Subventionen gestrichen werden sollen und legten in einer Aktionswoche mit ihren Traktoren teilweise den Verkehr lahm.

Proteste der Bauern.
Proteste der Bauern.

Eins aber gibt es, dass die Deutschen immer wieder aufbringt: Die Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit. Die Erinnerung an die Gräuel der Nazi-Zeit sind tief in der deutschen Seele verwurzelt. Nie wieder will sich das deutsche Volk vorwerfen lassen, nicht gegen Rechts aufgestanden zu sein, wie es etwa 1928 versäumt wurde. Und so machte sich am vergangenen Wochenende die bis dato schweigende Mehrheit überall in der Bundesrepublik auf den Weg, um gegen eine rechte Gefahr zu demonstrieren. Der Soziologe Armin Nassehi sprach bei dpa von einem „zahlenmäßig dominierendem Teil der Bevölkerung, der sich für gewöhnlich nicht äußert, weil er im Grunde zufrieden ist.“

Parteien rufen zur Demonstration auf

Seitdem das Recherchezentrum Correctiv über ein Treffen am 23. November 2023 berichtet hat, an dem AfD- und einzelne CDU-Politiker samt der konservativen Werteunion teilgenommen haben, sind die sonst zufriedenen Bürger auf der Straße. Besonders erregt sie der Begriff „Remigration“, den Martin Sellner, der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, bei dem Treffen gebraucht haben soll. Dieser wurde so interpretiert, dass damit eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft gemeint ist, die das Land verlassen sollen – zur Not auch zwangsweise, so wie es damals bei den Juden geschehen ist.

Demonstration in Eitorf.
Demonstration in Eitorf. (Foto: Inga Sprünken)

Objektiv betrachtet bedeutet „Remigration“ indes „Rückwanderung“. Die Bundeszentrale Politische Bildung definiert damit eine Rückkehr von Migranten in ihr Herkunftsland. Dies geschieht vielfach von alleine, etwa wenn Flüchtlinge nach Beendigung des Krieges wieder nach Hause zurückkehren. Es ist also eine Definitionsfrage, die die Menschen aktuell aufbringt und – laut AfD eine “groß angelegte Medienkampagne” gegen sie. Vor dem bekannt gewordenen Treffen in Potsdam im November 2023 hatte sich die Alternative für Deutschland auf einem Höhenflug befunden. Der Grund ist die allgemeine Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Koalition. Viele Menschen bezweifeln, dass die Regierung nach jahrelangem Stillstand unter CDU-Kanzlerin Angela Merkel in der Lage ist, die aktuell drängenden Probleme zu lösen.

Demonstration
Am Bahnhof begann die Demonstration. (Foto: Inga Sprünken)

Umfragen hatten ergeben, dass die SPD als stärkste Regierungspartei weit hinter CDU/CSU zurückgefallen war und teilweise sogar von der AfD verdrängt wurde. Nach den Enthüllungen durch Correctiv fühlen sich die demokratischen Parteien nun wieder gestärkt. Den aktuellen Problemen als Grund für das Erstarken der AfD stellen sie sich zwar weiterhin nicht, aber sie riefen bundesweit zu Demonstrationen auf. In Bonn war es ein Bündnis aus CDU, Grünen, SPD, FDP, Linken und Volt, der katholischen und evangelischen Kirche sowie Vereinen und Verbänden. „Es ist Zeit, dass wir als Gesellschaft gemeinsam für unsere Demokratie und Vielfalt einstehen! Wir müssen aufstehen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Hetze“, erklärten die Unterzeichner des Aufrufs.

Demonstration gegen “Rechts”

Auch in anderen deutschen Städten wie Köln, München, Stuttgart, Frankfurt/Main und Hamburg gab es Kundgebungen gegen Rechts mit mehreren Zehntausenden Teilnehmern. In diese großen Städte reihte sich am Dienstagabend eine kleine Kommune im östlichen Rhein-Sieg-Kreis ein. In Eitorf hatten politische Parteien samt AWO und Vereinen zu einer Demonstration aufgerufen, weil die AfD an diesem Abend zu einem Bürgerdialog ins Bürgerzentrum eingeladen hatte. Diese war laut Aussage von Wladimir Krain vom AfD-Ortsverband Eitorf, Windeck, Ruppichteroth in „erster Linie eine Veranstaltung von drei AfD Bundestagsabgeordneten aus NRW, die über Ihre politische Arbeit in Berlin berichten“. Zu den jeweiligen Schwerpunktthemen gehöre auch der „viel diskutierte Begriff Remigration“. MdB Roger Beckamp (AfD) hatte zuvor in der WDR-Lokalzeit erklärt, dass damit die Rückführung von Migranten gemeint sei, die sich illegal in Deutschland aufhalten.

AfD
Die AfD hatte zum Bürger-Dialog geladen.

„Unser Ziel ist es, flächendeckend in allen drei Gemeinden anzutreten und dadurch auch den Mitbürgern ein politisches Angebot machen zu können, die sich durch die bisherigen Parteien und Gruppen nicht mehr vertreten fühlen“, erklärte Krain. Und da die Veranstalter befürchteten, dass durch den Demonstrations-Aufruf Menschen davon abgehalten werden könnten, den Bürger-Dialog zu besuchen, veranstalteten sie eine kleine Gegen-Demo vor dem Bürgerzentrum unter dem Motto „Gegen Hass und Hetze“. Letztlich besuchten etwa hundert Menschen diese Veranstaltung, während geschätzte 3000 vom Bahnhof Richtung Marktplatz zogen, um dort an einer Kundgebung gegen Rechts teilzunehmen. Sogar dem ZDF war dies ein kurzer Beitrag in den Abendnachrichten wert.

Demonstration in Eitorf
Die Demonstranten zogen zum Marktplatz. (Foto: Inga Sprünken)

Ganz objektiv betrachtet bleibt die Frage, wer denn nun die Gewinner oder die Verlierer des Ganzen sein werden. Für die AfD jedenfalls sieht es aktuell nicht gut aus – für die Bürger auch nicht, wenn die Regierungsparteien so weiter machen wie bisher.

Aus den Deutschen ist eine hysterisch-hyperventilierende Gesellschaft geworden, meinen die Kabarettistin Monika Gruber und der Autor Andreas Hock in ihrem Bestseller “Und erlöse uns von den Blonden“.

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