Wölfe: früher erschossen, heute überfahren

Wölfe in NRW.

Der Wolf
Nachdem 180 Jahre lang Wölfe als unsere größten Landraubtiere ausgerottet waren, bleibt ihre Rückkehr ein sensibles Thema. Und das insbesondere in stärker besiedelten Gebieten wie im Rhein-Sieg-Kreis und den Nachbarkreisen. In Nordrhein-Westfalen hatten die letzten Erlegungen von Wölfen 1835 im Münsterland, 1839 im Rothaargebirge und 1874 in der Eifel stattgefunden.

Heute erledigt der Straßenverkehr die Reduzierung des Wolfs. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) bestätigt die Individualisierungen von fünf Wolfstotfunden aus diesem Jahr. Für vier der Wölfe war eine Kollision mit einem Fahrzeug die sichere Todesursache. Auch beim fünften Wolf sprechen viele Hinweise für einen Verkehrsunfall. Zur Abklärung wurde dieses Tier (und zu Forschungszwecken noch ein weiteres) für eine Sektion ins Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) nach Berlin gebracht.

Unfälle mit Wölfen

Am 28. Februar 2024 verunfallte ein männlicher Welpe mit der Kennung GW3979m bei Bünde (Kreis Herford). Sein Herkunftsrudel konnte nicht ermittelt werden. Der weibliche Altwolf GW3980f wurde am 05. März 2024 in Xanten (Kreis Wesel) tot aufgefunden. Sie stammte aus dem Rudel Noord-Veluwe in den Niederlanden. In Verl (Kreis Gütersloh) wurde der männliche Welpe GW4095m am 23. März 2024 in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt. Seine Herkunft ist das Rudel Göhrde in Niedersachsen.

Auf der Autobahn A61 bei Erftstadt (Rhein-Erft-Kreis) kollidierte der männliche Welpe GW4144m am 05. April 2024 mit einem LKW. Er stammte aus dem Rudel Hohes Venn Süd in Belgien. Nur einen Tag später, am 06. April 2024, kam eine Wölfin auf der Autobahn A560 bei Hennef (Rhein-Sieg-Kreis) ums Leben. Sie erhielt die Kennung GW4145f.

Ihre Herkunft ist nicht das Leuscheider Rudel, sondern das grenzübergreifende Rudel Eckertal zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Bedingt durch die schwere Beschädigung des Tierkörpers ist eine genaue Altersbestimmung nicht möglich gewesen. Aufgrund der bekannten Historie des Herkunftsrudels steht aber fest, dass es sich bei diesem Tier nur um einen Welpen (1. Lebensjahr) oder einen Jährling (2. Lebensjahr) gehandelt haben kann.

Die ersten Wölfe in Deutschland

Die Rückkehr der Wölfe im Jahr 2000 war zunächst eine Sensation. Die Tiere waren von Polen nach Deutschland eingewandert. Die ersten Beobachtungen von Wölfen auf deutschem Boden wurden bereits 1996 gemacht. Im Jahr 2000 kam der erste wildlebende Wolfsnachwuchs in der Muskauer Heide in Sachsen zur Welt. Seitdem ziehen Wölfe jährlich erfolgreich Nachwuchs auf.

Nach einer Tragzeit von etwa 63 Tagen bringt die Wölfin im April oder Mai zwei bis sechs Welpen in einer selbst gegrabenen Höhle oder einer aufgeweiteten ehemaligen Dachs-Höhle zur Welt. Sie wiegen bei der Geburt rund 500 Gramm und sind wie bei Hunden blind und taub. Nach etwa drei Wochen verlassen sie erstmals ihre Geburtshöhle und bleiben bei ihren Eltern bis sich nach ein bis zwei Jahren neuer Nachwuchs einstellt.

Dann gehen sie auf die Suche nach einem eigenen Revier und Geschlechtspartner und legen dabei bis zu 80 Kilometer zurück. Insgesamt schafft der erstaunliche Dauerläufer laut der Deutschen Wildtier-Stiftung zehn bis zwölf Stundenkilometer im Trab und legt innerhalb seines Territoriums täglich Strecken bis zu 20 Kilometer zurück.

Nachweise von Wölfen

Sichere Wolfsnachweise gibt es laut dem NABU in zwölf Bundesländern. Die meisten leben im Osten Deutschlands, nämlich in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern, im Westen leben die meisten in Niedersachsen. In Nordrhein-Westfalen gab es 2010 den ersten Wolfsnachweis.

Im Rhein-Sieg-Kreis gab es am 6. Juni 2019 den ersten unbestätigten Riss eines Schafes in Hennef. Den ersten eindeutige Nachweis in unserer Region war ein Riss von vier Schafen am 10. und 22. Juli 2019 in Engelskirchen (Rheinisch-Bergischer Kreis). Am 1. August wurde in Much ein Schaf von einem Wolf gerissen. Am 23. September wurde das erste tote Schaf in Eitorf gemeldet, wobei die DNA nicht eindeutig einen Wolf identifizieren konnte. Das aber war der Fall bei einem Riss in Lohmar am 1. November 2019.

Video mit einem Wolf

Spektakulär war die Video-Aufzeichnung eines Lohnarbeiters aus Mai 2019 in der Nähe von Eitorf-Obereip. Ein Landwirt aus Kircheib hatte das Video in den sozialen Netzwerken geteilt. Es zeigte einen Wolf, der versuchte ein gerissenes Reh vor dem hupenden Traktor wegzuschleppen – mit Erfolg. Der Schlusskommentar des Traktorfahrers lautete: „Na dann guten Hunger!“ Der für den Rhein-Sieg-Kreis zuständige ehrenamtliche Wolfsbotschafter Dietmar Birkhahn identifizierte den Wolf als ein Jungtier, das nicht älter als zwei Jahre sei.

Dass es sich bei der Aufnahme tatsächlich um einen Wolf handelte, bestätigte auch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) Nordrhein-Westfalen. Es wurde vermutet, dass es ein Wolf auf Partner- und Reviersuche war. Für die Ausweisung des Gebietes als Wolfsgebiet reichte dies noch nicht, denn vielfach ziehen Jungtiere, die aus dem Rudel geworfen werden, wenn die neuen Welpen heranwachsen, längere Zeit umher. Hier eine Videoaufnahme einer Wildkamera.

Wolfsgebiete im Rheinland

Daher werden Wolfsgebiete von behördlicher Seite erst dann ausgewiesen, wenn sechs Monate lang kontinuierlich ein Wolf an einem Standort gesichtet wird. Für Weidetierhalter ist das von erheblicher Bedeutung, weil sie bei Rissen Entschädigungen vom Land erhalten sowie Zuschüsse für Wolfssicherungen.

Schon im Mai 2018 war in Rheinland-Pfalz im grenznahen Bereich zu Nordrhein-Westfalen das „Wolfs-Präventionsgebiet Westerwald“ ausgewiesen worden. Anfang April 2019 erklärten die Behörden den Bereich des ehemaligen Truppenübungsplatzes Daaden/Stegskopf (Altenkirchen und Westerwaldkreis) als territoriales Wolfs-Gebiet.

Das nordrhein-westfälische Umweltministerium wies dann am 5. April 2019 eine Pufferzone aus, die sich über Eitorf und Windeck bis Siegen, Olpe und Morsbach erstreckte. Ein Jahr später, im Sommer 2020, wurde in Windeck-Leuscheid ein Wurf mit sieben Jungen entdeckt, was zu der Ausweisung des Wolfsgebietes Oberbergisches Land führte. Es umfasst Teile des Rhein-Sieg-Kreises und des Oberbergischen Kreises mit Offenland und den größeren Waldgebieten um den Heckberg südlich der Agger, der Nutscheid auf dem Höhenrücken zwischen Agger und Sieg sowie der Leuscheid südlich der Sieg.

Die Unterscheidung der Wölfe

Zu der Fläche von 754 Quadratkilometer gehören der Oberbergische Kreis mit Waldbröl, Morsbach und Nümbecht sowie der Rhein-Sieg-Kreis mit Hennef, Lohmar, Siegburg, Eitorf, Much, Neunkirchen-Seelscheid, Ruppichteroth und Windeck. Die umgebende Pufferzone reicht bis nach Köln, Bergisch Gladbach, Gummersbach und Bonn.

Als sichere Nachweise des Wolfs gelten Fotos und DNA-Proben an gerissenen Tieren oder auch Kot- und Urinproben. Allerdings müssen diese Proben möglichst innerhalb von 24 Stunden genommen werden. Das gelang beispielsweise bei einer Wolfs-Losung, wie die Exkremente in der Fachsprache genannt werden, im November 2020 im Wald zwischen im Grenzgebiet zu Rheinland-Pfalz bei Kircheib. Die DNA-Spuren konnten eindeutig dem zugewanderten Rüden GW1159m und zwei männlichen Welpen des Leuscheider Rudels, GW1934m und GW1935m, zugeordnet werden. Die Bezeichnung „GW“ steht für German Wolf, das „m“ bzw. „f“ für male_männlich und f = femal (weiblich). Die Nummerierung ist fortlaufend und im Grunde der Name des Wolfs.

Die Population reguliert sich

Schon im Jahr 2020 waren mehrere Wölfe zwischen Rheinbrohl und Bad Hönningen verschwunden. Dazu gehörte auch die Fähe, die anfangs im Westerwald auf dem Stegskopf am ehemaligen Truppenübungsplatz angesiedelt war. Außer der Möglichkeit von illegalen Abschüssen durch Wolfsgegner, die sogar schon in den sozialen Netzwerken zu einer Vertreibungsaktion mit Steinsalz-Munition und motorisierten Hetzjagden aufgerufen hatten, wurde das mit den für Wölfe störenden Holzfällarbeiten im Wald erklärt.

Im Frühjahr 2023 war die anfangs angestiegene Wolfspopulation im Leuscheider Rudel deutlich zurückgegangen. In 2024 ist auch der als „Problemwolf“ titulierte Rüde GW1896m nicht mehr auffällig geworden, wie Julian Sandrini vom Koordinationszentrum für Luchs und Wolf (KLUWO) mitteilt. In der Vergangenheit war das Tier für einen Großteil der Übergriffe auf Nutztiere verantwortlich. Zuletzt wurde er im März genetisch nachgewiesen. „Es ist wahrscheinlich, dass der Rüde des Rudels sich noch im angestammten Territorium aufhält“, so Sandrini.

Wölfe im Wald.
Wölfe reißen nur ungeschützte Weidetiere. (Foto: Inga Sprünken)

Wölfe greifen ungeschützte Weidetiere an

Seit dem dem Jahreswechsel habe es drei Übergriffe durch das Leuscheider Rudel gegeben. Alle Vorfälle hätten im März auf Tiere stattgefunden, die nicht wolfsabweisend gesichert waren, berichtet er. Dass 99 Prozent der Risse an ungeschützten Tieren stattgefunden haben, bestätigt auch Wolfsberater Dietmar Birkhahn. Dem Sövener Schäfer Simon Darscheid, stellvertretender Vorsitzender des Schafzuchtverbandes NRW, liegen ebenfalls „seit langem keine Informationen über gerissene Schafe vor“.

Zur aktuellen Bestandsgröße des Rudels kann aktuell keiner etwas sagen. „Aus der Leuscheid liegen aktuell keine Daten vor, die eine diesjährige Reproduktion bestätigen. Die aktuelle Größe des Rudels ist daher nicht bekannt“, so Sandrini. Der letztjährige Wurf habe drei Welpen umfasst. „Ob sich die jetzt einjährigen Jungwölfe alle noch innerhalb des Rudel-Territoriums aufhalten ist nicht bekannt“, teilt Sandrini mit. Wie man auf der Karte beim LANUV sieht, waren im März und April in der Gemeinde Eitorf bis zu fünf Wölfe in eine Fotofalle getappt.

Wölfe – pro und contra

In den sozialen Netzwerken jedenfalls schlagen die Wogen hoch, wenn Freunde und Gegner des Wolfs diskutieren. Auf der einen Seite sind es Naturschützer und Vertreter der Naturschutzverbände, die sich freuen, dass der „Canus Lupus“ wieder in Deutschland heimisch geworden ist. Auf der anderen Seite sorgen sich Landwirte und Weidetierhalter um ihr Vieh. Denn mit der Verbreitung des Wolfs in stark besiedelten Regionen steigen auch die Probleme.

Denn der Wolf unterscheidet bei seiner Suche nach Futter nicht zwischen einem Reh und einem Schaf. Hinzu kommt der Surplus-Killing-Effekt, wie Fachleute es nennen, wenn der Wolf in einer Schafherde mehr Tiere tötet, als er fressen kann. Dieses natürliche Verhalten von Raubtieren, das man auch von Mardern und Füchsen im Hühnerstall kennt, löst beim Menschen besonderes Entsetzen und Unverständnis aus. Verhaltensökologisch ist es damit zu erklären, dass der Wolf nicht in Ruhe fressen kann, solange die anderen Tiere im abgezäunten Bereich panisch umher rennen. Damit lösen sie immer wieder seinen Beutefangreflex aus.

Landräte fordern Entnahmequote

Landwirte und Weidetierhalter machten Druck. Die Reaktion der Politiker ließ nicht lange auf sich warten. Anfang 2023 sahen die Landräte des Rhein-Sieg-Kreises (Sebastian Schuster), des Kreises Altenkirchen (Peter Enders), des Kreises Neuwied (Achim Hallerbach) und des Westerwaldkreises (Achim Schwickert) laut einer Pressemitteilung die Lösung des Konflikts Mensch/Wolf in einem Wolfsmanagement und forderten eine „Entnahmequote“.

Aber es gab auch andere Stimmen – von den Naturschutzverbänden NABU und BUND oder von Bürgern, die sich freuen, dass dieses faszinierende Raubtier, das zudem die Bestände von Wildschweinen und Rehen zu regulieren hilft, wieder bei uns heimisch geworden ist.

Themenwoche Wölfe

Im Sommer 2021 gab es eine Themenwoche „From soul to soul“ (Von Seele zu Seele) im Kino CINEXX in Hachenburg. Bei einem Filmabend mit anschließender Diskussion mit dem Wolfsbeauftragten Dr. Paul Bergweiler und dem Naturführer und Film-Protagonisten Carsten Nitsch, der aus der Lausitz angereist war, wurde das Für und Wider beleuchtet. Dabei ging es auch um die Ängste der Menschen vor dem vermeintlich „bösen Wolf“.

Diesen Ruf, der schon in Märchen wie „Der Wolf und die sieben Geißlein“ oder „Rotkäppchen“ zum Ausdruck gebracht wurde, hat das Raubtier einigen Exemplaren zu verdanken, die tollwütig waren. Wie in dem 90-minütigen Dokumentationsfilm „Die Rückkehr der Wölfe“ des Schweizer Regisseurs Thomas Horat gezeigt wurde, fürchten sich vielfach Menschen, die auch Angst vor großen Hunden haben, vor dem Raubtier. Dabei hat dieses, ebenso wie auch Bären und Luchse, keinerlei Interesse an einer Begegnung mit dem Menschen. Stattdessen weichen die Wildtiere Menschen aus.

Begegnung mit Wölfen sind Zufälle

Es sind unglückliche Zufälle, die zu bösen Konfrontationen führen können. Angriffe von Wölfen auf Menschen sind allerdings bisher nicht belegt. Die Raubtiere kommen Menschen nur nahe, wenn sie darauf konditioniert wurden, etwa indem man sie füttert, wie etwa an einem Truppenübungsplatz in Sachsen geschehen. Dann verlieren sie die Scheu und nähern sich an, um wie Hunde zu betteln.

Im Dokumentationsfilm benennt der österreichische Verhaltensforscher an der Universität Wien, Kurt Kotrschal den Grund für die Domestizierung des Wolfs vor 35000 Jahren. „Wölfe sind sehr bereit mit dem Menschen zu kooperieren“, sagt er und hebt die „unglaubliche Ähnlichkeit“ zwischen den „Raubtieren Mensch und Wolf“ hervor, die eine „schwesterliche Evolution“ und damit den Einzug von Hunden in unsere Wohnungen ermöglicht hat.

Wölfe sind sehr intelligent

Denn Wölfe sind nicht nur sehr intelligent, sondern auch kreativ – eine Eigenschaft, vor der sich wiederum die Weidetierhalter fürchten. „Wenn der Wolf erst einmal gelernt hat, einen Zaun zu überspringen, wird er es immer wieder tun“, sagt der Schweizer Wildtierbiologe Reinhard Schnidrig im Film. Allerdings sei es so, dass umso mehr man Wölfe störe, sie umso mehr Schafe rissen.

„Sonst halten sie sich eher ans Wild“, urteilt Schnidrig. Und dort, wo Räuber wie der Wolf heimisch sind, ist der positive Effekt auch für die Forst- und Landwirtschaft bekannt. Reh- und Schwarzwild verhalten sich in einem Wolfsgebiet vorsichtiger, was langfristig die Verbissschäden mindert. Zudem werden deren Bestände reguliert.

Aktuelle Informationen zu Wolfsnachweisen in Nordrhein-Westfalen sind zu finden im Wolfsportal des LANUV.  Weitere Informationen zum Vorkommen und zum Verhalten von Wölfen in Deutschland gibt es auf der Homepage des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

Weitere Geheimnisse des Rheinlandes und der Welt entdecken Sie in unserem Buch: “Geschichte(n) aus dem Rheinland“, erschienen im BoD-Verlag, ISBN-13: 9783755781349, erhältlich für 17,99 Euro im Buchhandel.

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